Das verwandelte Angesicht, Charlotte Kunze

Das verwandelte Angesicht

Über der schottischen Hochebene lag sturmgepeitscht die Nacht. Sie war voll kalter, unheimlicher Schönheit für den, der Augen dafür hatte. Wolkenbänke, die am dunklen Himmel dahineilten, verbargen immer wieder die schmale Sichel des Mondes. Auf der engen Straße, die durch die Landschaft führte, rollte ein großer, schwarzer Wagen, von dem Fahrer vorsichtig gesteuert. Besorgt warf dieser einen prüfenden Blick nach der Landkarte, die auf seinen Knien lag. Man hätte längst am Ziel sein müssen, doch die Dunkelheit erschwerte die Orientierung.

Der Herr an seiner Seite hatte weder Sinn noch Blick für die Natur. Er saß da, wie die menschgewordene Selbstzufriedenheit. Ein stolzes Lächeln lag auf seinen Lippen, wenn er an den Kreis dachte, der ihn heute erwartete, und in dem er glänzen wollte.

Er war ein erfolgreicher Mann. Peinlich korrekt wie seine Kleidung war sein Auftreten, sein Verhalten. Gegner hatte er keine. Wo sein Name genannt wurde, geschah es in achtungsvollem Ton; man wußte, wer er war. Trotzdem war sein Ehrgeiz mit dem Erreichten noch nicht zufrieden. Darum hatte er beschlossen, sich der Politik zuzuwenden. Er hoffte, als Abgeordneter aufgestellt zu werden.

Dazu brauchte er aber Stimmen und Protektion. Der heutige Abend sollte ein weiterer Schritt auf diesem Wege sein. Seine Gedanken eilten voraus zu dem Kreis, der ihn erwartete.