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gebraucht
Bestell-Nr.: BV11230
Autor/in: Eugen Kunz
Preis: 4,00 €
Format: 21 x 15 cm
Seiten: 48
Gewicht: 80 g
Verlag: Christliche Schriftenverbreitung Hückeswagen
Einband: Heft/Zeitschrift
Sprache: Deutsch
Zustand: leichte Gebrauchsspuren
INHALT
Viola
So viel Freude!
Die beste Wahl
Äußerlich und innerlich
Der alte Lehrer im Schulhäuschen zu Eschenwald hatte gerade noch einige Vorbereitungen getroffen für den baldigen Schulbeginn nach den Sommerferien, als sein Nachbar eintrat, ein guter Freund von ihm, um ihm ein Krüglein Dickmilch zu bringen.
„Zu deinem Wohl, Schulmeister, bald gibts ja wieder Verdruß und Sorgen, wenn's kleine Volk sich wieder hier einfindet."
„Verdruß und Sorgen, eben, beides, Hüglibauer, beides wird man nicht los, so lange man lebt", nickte der Schulmeister gedankenvoll und ein wenig seufzend. jetzt wieder diese Ausländer, die Italienerleut. Das heißt, es ist nur eine Witwe. Ich rnöcht wissen, warum die gerade hier in unsere Gemeinde gezogen sind, wie ich gestern hörte. Das wird wieder Zuwachs geben in der Schulstube. Und die ist sowieso schon voll!,,
„Wo wohnen sie denn?" fragte der Bauer teilnehmend.
„Oben in der Fuchstochhütte", war die Antwort. „Die war ja schon lange leer. Keiner wollte drin wohnen, seit der alte Schindelmacher von der Laube stürzte. Weiß nicht, was die Leut fürchten. Ein Unglück ist ein Unglück, das kann es überall geben. Aber jetzt sind die Italienerleut drin. Freilich, irgendwo wird die Frau halt sein müssen."
„Hat sie denn viele Kinder?"
„Das weiß ich nicht. Aber ich denk' es schon - solche Leute haben immer viele Kinder."
„Na, vielleicht wirds doch nicht so arg sein", tröstete der Freund, indes er sich der Tür zuwandte, „du hast sie noch allemal in dein schulmeisterliches Herz geschlossen, wenn wieder Neue kamen. Man kennt dich doch!"
Der Herr Lehrer begleitete ihn noch ein Stücklein Weges über den schmalen Pfad durch die Wiesen. Als er wieder zurückkam, stand da mitten auf dem Fußpfad ein kleines, schwarzlockiges Mädchen mit schwarzen, scheuen Augen. Es hatte eine Handvoll Feldblumen gepflückt, und weil die Sonne so warm schien, brannten seine braunen Bäcklein in heller Glut. Der Lehrer sah nachdenklich auf das Kind. So sah keins seiner Schulkinder aus. Fast alle waren sie hell an Haar und Augen. Es wird eins von den Italienerkindern sein, dachte er.
„Wie heißt du?" fragte er freundlich.
„Viola", kam es schnell zurück.
„So, so - Viola! Nun, es müssen ja nicht alle Lieschen und Lenchen heißen. Also - Viola! Kannst du denn deutsch?"
„Ja. Meine Mutter ist von hier; nur mein Vater war nicht von hier", sagte das Kind, und plötzlich hingen zwei klare, große Tropfen an den dunklen Augenwimpern, obschon in dem Gesichtlein sich keine Miene veränderte.
„So, so! Ja - der war von Italien, gelt? Aber hier ist's nun doch viel schöner, nicht?"
„Nein."
„So - nicht? Hast du denn auch noch viele Geschwister?" „Nein."
„Auch nicht? Aber gelt, zu mir kommst gern in die Schule - ich bin dein Lehrer. Und jetzt, da wir uns schon kennen, wirst du dich freuen?"
„Nein!" war zum dritten Male die schroffe, kurze Antwort. Da mußte der Schulmeister lachen, „Aufrichtig bist wenigstens! Also behüt dich Gott, kleine Viola."
Der Gruß wurde nicht erwidert. Scheu und trotzig zugleich sah das Kind eine Weile dem Davonwandernden nach und rannte dann in großen Sprüngen bergan dem Wald zu, wo weit hinten die Fuchslochhütte stand. -
Denselben Abend schritt der alte Lehrer mit einem großen, weißen
Papier nach der Käserei. Dort klebte er den Bogen an die weißgetünchte Wand, und nun konnte jeder, der hier herein oder an der Käserei vorbeikam, deutlich lesen, was in weithin sichtbarer Schrift geschrieben stand, nämlich: „Schulanfang nächsten Montag halb acht Uhr!" - Er wußte, schon am Abend waren sämtliche Einwohner davon unterrichtet; denn aus jedem Haus brachten sie abends und morgens die frischgemolkene Milch zum Käser, die einen viel, die andern weniger, je nachdem.
Richtig erschienen die Kinder am Montag früh vollzählig zum Schulanfang nach den Heuferien, Beim Schulhausgärichen stand am verwaschenen Lattenzaun mit verweinten Augen und verstocktem Gesichtlein die kleine, schwarze Viola. Sie hatte ein dünnes rotes Röcklein an, das schon unzählige Male ausgebessert war, und stach in dieser Hinsicht sehr von den andern Kindern ab, die fast alle gute, haltbare, selbstgewebte Kleidung trugen. Um das Kind herum standen eine Schar größerer und kleinerer Mädchen, alle mit glattgeflochtenen Zöpfen, die in der Sonne nur so glänzten. Neugierig betrachteten sie das „Neue", bis des Weidenbauers schlankes Röschen sich in den Kreis drängte.
„Ich bin das Röschen", erklärte es mit einigem Selbstgefühl, „und dies ist das Gritli und dies das Mädeli - paß auf, ich tippe sie alle mit dem Finger an - also: BetIl, Anni, Lisi, Elsli, Kätheli, Bärbeli, Mareili, Jetzt weißt's. Nun sag, wie du heißest!"
„Viola", kam die Antwort etwas verschüchtert zurück,
„Was? Wie sagst du? Sogs noch einmal!"
„Viola l"'
„Das geht nicht! Das ist kein Name", entgegnete das Röschen sehr bestimmt, „Viola heißt niemand. Aber wenn du so verstockt bist und nicht sagen willst, wie du heißest, so lassen wir dich laufen."
„Ich heiße Viola", trotzte die kleine Dunkeläugige. Aber das Röschen schob und trieb mit beiden Armen die andern Kinder weg und sagte...
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