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GROSSDRUCK
Es war bei einer Weihnachtsfeier für alte Leute, als ich Vater Zöllner kennenlernte. Er saß zwischen vielen anderen Greisen und strahlte wie ein Kind. Ich setzte mich zu ihm und versuchte, mit ihm in ein Gespräch zu kommen.
„Nicht wahr, es ist eine schöne Feier?" fragte ich ihn. Er warf einen Blick auf seinen bunten Teller mit dem Weihnachtsgebäck, dann nahm er einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse und schaute sinnend in die Lichter des Tannenbaumes in der Ecke des Saales. Dann sagte er: „So schön habe ich es noch nie in meinem Leben gehabt." Mit einem fast verlegenen Lächeln beugte er sich zu mir herüber und setzte flüsternd hinzu:
"Dazu habe ich heute noch Geburtstag. Ich bin 79 Jahre alt geworden. "Ich nahm mir vor, ihn in den nächsten Tagen zu besuchen. Da fand ich den alten Mann dann in einer winzigen Dachkammer ohne Ofen. Er hatte nur einen einzigen Stuhl, auf dem musste ich Platz nehmen, während er sich auf die Kante des armseligen Bettes setzte. Unfasslich war es ihm, dass ich ihm nachträglich noch ein Geburtstagsgeschenk brachte. Seine große Dankbarkeit machte ihn zutraulich. Er erzählte mir seine Lebensgeschichte, stockend und immer wieder von heftigen Hustenanfällen unterbrochen.
Es war mir sofort klar, dass der alte Mann in diesem sehr strengen Winter nicht in einem Zimmer ohne Ofen bleiben konnte. Hier musste er sich ja den Tod holen. So bemühte ich mich, für ihn einen Platz im Altersheim zu bekommen. Es gelang mir. Überglücklich war er, dort in einem warmen, freundlichen Stübchen unterzukommen. Nun meinte er immer, er müsse mir aus lauter Dankbarkeit etwas schenken. Jedes mal, wenn er seine spärliche Rente bekam, wollte er mir etwas kaufen. Einmal brachte er mir ein in feuerrotes Glanzpapier eingewickeltes Lebkuchenherz, auf dem mit Zuckerguss geschrieben stand: Aus Liebe!
Der gute Vater Zöllner! - Er war am Heiligen Abend zur Welt gekommen, und zwar im Gefängnis. Seine Mutter war eine Dirne. Die Gefängniswärterin, die Mitleid mit dem Neugeborenen hatte, sorgte für eine Pflegestelle. Nachdem die Mutter aus dem Gefängnis entlassen war, kümmerte sie sich nicht um ihr Kind. Es mochte ruhig verkommen. In der elenden Hütte eines schwachsinnigen Mannes verbrachte Frieder die ersten zwei Jahre seines Lebens. Der alte Mann führte mit seiner viel jüngeren, sehr unordentlichen Frau und seinen zwei kleinen Kindern ein kümmerliches Dasein. Frieders Bettchen war eine mit Stroh gefüllte Kiste. Man kümmerte sich den ganzen Tag nicht um das Kind, außer dass man ihm die notwendige Nahrung reichte und es notdürftig sauber hielt. So war es kein Wunder, dass der Kleine in seiner Entwicklung anderen gut versorgten und gepflegten Kindern gegenüber weit zurückblieb und viel später als diese laufen und sprechen lernte. Es war ja niemand da, der mit ihm lachte und spielte, niemand, der zärtlich zu ihm war und ihn liebhatte. Wie ein im Schatten an dunkler Mauer aufwachsendes Blümlein war Frieder. Ein Wunder, dass er mit dem Leben davongekommen war!
Die Gefängniswärterin, eine mütterliche Frau, sah weiter von Zeit zu Zeit nach dem kleinen Jungen. Sie war es auch, die sich dann nach anderen Pflegestellen umtat, weil sie es nicht glaubte, verantworten zu können, dass er in dieser verkommenen Hütte blieb.
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