Dieses Psalmwort ist ein wunderbares Gebet, das uns auf unserem Lebensweg begleiten darf, bis wir die ewige Heimat erreicht haben. Wenn Vater und Mutter über der Wiege ihres Kindleins die Hände falten, können sie den HErrn bitten: „Richte Deinen Weg vor ihm her!" Wenn das Kind in das bewegte Leben eintritt, wenn es das Elternhaus verläßt, wenn man Verlobung oder Hochzeit feiert, am Geburtstag, Silvester oder am Neujahrstag, wenn man eine neue Arbeit oder ein neues Amt beginnt, oder wenn uns „auf die rauhe Bahn Not, Tod und Elend treiben", ja besonders, wenn es gilt, sich zu rüsten zum letzten Weg, den noch niemand wieder zurückkehren konnte: in allen Fällen unseres Lebens dürfen wir zum HErrn flehen: „Richte, HErr, Deinen Weg vor uns her!"
In Verfolgungs- und Trübsaiszeit, in der Frühe des Tages ging David in das Haus des HErrn und betet: „HErr, vernimm mein Schreien, mein König und mein Gott; denn ich will vor Dir beten: HErr, leite mich in Deiner Gerechtigkeit um meiner Feinde willen. Richte (ebne, ordne) Deinen Weg vor mir her!" Sein Gebet steigert und erhebt sich zu der frohen Gewißheit am Schluß: „Du, HErr, segnest die Gerechten. Du krönest sie mit Gnade wie mit einem Schild.
Komm auf Seinen Weg!
Blicken wir zuerst auf die Voraussetzung des kleinen Gebetes. Wer betet: „HErr, richte meinen Weg vor mir her", tut besser, als wenn er überhaupt nicht betet. David aber betet anders. Da heißt es nicht: meinen Weg, aondern Deinen Weg.
liter erhebt sich die grundsätzliche Frage: Haben wir Iitln entuditoden, den breiten Weg zu verlassen und mit Jntiiin den schmalen Weg zu gehen? Sind wir ver setzt aus der Finsternis in das Reich des Lichtes? Wie viele von uns haben diese Entscheidung bewußt getroffen? Wie viele haben den Weg, der zum Leben führt, wirklich gesucht und gefunden? Wohl uns, wenn wir diesen Weg des Friedens betreten durften, an dessen Ende die ewige Heimat winkt!
Als Paulus sich vom HErrn ergreifen ließ, da war er auf Seinem Weg. Als der Kerkermeister in Philippi den Glaubensschritt tat und in Jesus seinen Heiland fand, hatte er Seinen Weg gefunden. Komm auf Seinen Weg!
Bleibe auf Seinem Weg!
Eine andere Voraussetzung heißt: Bleibe auf Seinem Weg! Es ist eine biblische Wahrheit, mit der wir vollen Ernst machen dürfen und müssen: Für jeden Menschen hat Gott einen Weg zuvor ersehen und bereitet. „Es waren alle Tage auf Dein Buch geschrieben, die noch werden sollten, als derselben keiner da war" (Psalm 139, 16). Gott hat Ziel gesetzt und zuvor gesehen, „wie lang und wie weit sie wohnen sollten" (Apg. 17, 26). Das sagt der HErr nicht allein von den Gläubigen, sondern von allen Menschen. Alle Haare auf dem Haupt sind gezählt, alle unsere Wege sind vorhergesehen!
Gott hat seit allen Ewigkeiten
der Seinen ganzen Lauf bedacht und auch die kleinsten Kleinigkeiten
in Christus längst schon ausgemacht.
Frage nach Gottes Weg!
Wenn das wahr ist, was der Dichter sagt, dann tue ich nichts Besseres, als daß ich frage nach dem von Gott mir verordneten Weg, nach Seinem Weg. Dieser Weg hat auch Schwierigkeiten, aber Gott behebt sie. Er hat
Dunkelheiten, aber Gott verwandelt sie in Licht. Das aber ist sicher: Dieser Weg führt nicht in Sackgassen, aus denen man nicht wieder herauskommen kann.
Wenn wir diesen Weg noch nicht klar erkennen, dann halten wir ein und beten: „Weise mir, HErr, Deinen Weg, daß ich ruandle in Deiner Wahrheit!" (Psalm 86, 11).
Wenn's dunkel ist, dann reist man nicht, dann wartet und betet man. Und der HErr gibt Licht und Weisung. Daran lassen es auch viele Gotteskinder fehlen. Dann kommen die Schwierigkeiten, die man sich selber machte. Weil aber mein Lebensweg festgelegt ist, weil meine Werke, meine Freuden und Leiden schon vorherbestimmt und verordnet sind, darum bete ich mit kindlicher Abhängigkeit: „Weise mir, HErr, Deinen Weg!"
Gottes Weg ist gut!
Wenn sich dann Schwierigkeiten und Dunkelheiten einstellen, darfst du es aussprechen: „Gott, Dein Weg ist heilig" (Psalm 77, 14). „Du leitest mich nach Deinem Rat" (Psalm 73, 24). Hast du keinen Durchblick, bekümmert clidi ein stilles Kreuz, drücken dich verborgene Sorgen, Familiennöte, bist du auf ein Krankenbett gelegt, dessen Zeit nicht abzusehen ist, ja das zum Siechbett werden könnte: hier ist unser Gebet aus Psalm 5 am Platz: „Richte Deinen Weg vor mir her!"
Wie Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (17001760) bitten wir:
„Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang. Führst Du uns durch rauhe Wege,
gib uns auch die nöt'ge Pflege; tu uns nach dem Lauf Deine Türe auf!"
Heinrich Klein (1876-1957)
Der Weg
Zwei Wege führen durch die Zeit und tragen unsre Füße:
der eine schmal, der andre breit, im Frieden der, und der im Streit.
Ach, unerforschlich ist der Weg zur ew'gen Seligkeit.
HErr, der im Meere Wege macht und über Berge schreitet,
Du hast auch unsern Weg bedacht. Wo ist das Licht und wo die Nacht?
Ein jeder habe Tag um Tag allein des Weges acht!
Befiehl dem HErren deinen Pfad und hoffe in der Stille.
Und lockt dich Weisheit, Stolz und Tat, nimm's als ein Irrlicht, das dir naht!
Von allen Wegen ist ja nur der schmale Weg gerad.
Der Wahrheit, Weg und Leben ist, entsendet Seine Engel,
daß du am Weg behütet bist.Wohl dem, der solches nicht vergißt!
Geh, Pilgersmann, und singe Dank dem HErren Jesus Christ!
Siegbert Stehmann (1912-1944)