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Der Römerbrief betrachtet den Christen als einen auf dieser Erde lebenden Menschen, der das Leben Christi und den Heiligen Geist besitzt, so dass es für ihn, als in Christo geborgen, keine Verdammnis mehr gibt. Seine Schuld ist getilgt, die Sünde ist gerichtet und, gerechtfertigt durch das Werk Christi hat er Frieden mit Gott und ist berufen, in Neuheit des Lebens zu wandeln.
Einleitung: Rudolf Brockhaus
Der Brief an die Römer wurde in dem Jahr 58 oder 59 n. Chr. von Korinth aus geschrieben, als Paulus im Begriff stand, nach Jerusalem zu reisen und die „Hilfeleistung" der in Achaja und Macedonien wohnenden Gläubigen dorthin zu bringen. (Rö 15,25-28; vgl. auch Rö 16,1 - „Kenchreä" war eine der Hafenstädte Korinths.) Paulus selbst war bis dahin nie in Rom gewesen, obwohl es ihn schon „seit vielen Jahren" sehnlich verlangt hatte, die Gläubigen dort zu sehen. Wie das Werk in Rom seinen Anfang genommen und welche Mittel Gott gebraucht hat zur Gründung der dortigen Gemeinde, darüber ist uns nichts Sicheres bekannt. Man nimmt gewöhnlich an, dass in Rom wohnende Juden, die auf ihren jährlichen Festreisen nach Jerusalem von den Vorgängen dort unterrichtet worden waren, die Kunde von Jesu in die große Hauptstadt der Welt gebracht haben. Jedenfalls steht fest, dass weder Paulus noch Petrus, der Apostel der Beschneidung, hierbei in Frage kommen können. Beide Männer sind erst wenige Jahre vor ihrem Märtyrertode, der ungefähr um die gleiche Zeit stattfand, nach Rom gekommen.
War es nicht durch die Weisheit Gottes so geordnet, dass gerade Rom sich nicht einer durch apostolische Wirksamkeit gegründeten Versammlung rühmen konnte, gleich anderen, viel unbedeutenderen Städten, wie Ephesus, Korinth, Philippi usw.? Hat nicht gerade dieser Umstand Anlass gegeben zu einer so umfassenden schriftlichen Abhandlung über den Zustand des Menschen von Natur, über Gottes mächtige Dazwischenkunft im Evangelium, über die Rechtfertigung des Glaubenden durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi usw.? Wäre der Apostel früher nach Rom gekommen, wie er es vorhatte, würde er naturgemäß das, was wir jetzt in seinem Briefe niedergelegt finden, den Gläubigen in Rom mündlich mitgeteilt haben. Zugleich hatte Gott die Zustände in Rom inzwischen sich so gestalten lassen, dass sie eine solch eingehende und gründliche Behandlung der Grundwahrheiten des Evangeliums nötig machten. Denn obwohl die Versammlung in Rom vorwiegend aus Christen, die aus den Heiden gekommen waren, bestanden haben wird, gab es doch ohne Zweifel auch ein gut Teil bekehrter Juden in ihrer Mitte, und unter diesen solche, die einen gesetzlichen Geist - „berühre nicht, koste nicht, betaste nicht!" - einzuführen suchten, dem gegenüber die Gläubigen aus den Heiden in Gefahr kamen, ihrerseits einer fleischlichen Freiheit das Wort zu reden. Dadurch waren lieblose Reibereien entstanden, die nicht nur Zwietracht und Spaltung herbeizuführen, sondern auch die Wahrheit zu verderben drohten.
Dem Brief an die Römer ist bei der Feststellung des Kanons der heiligen Schriften die erste Stelle unter allen Briefen der Apostel angewiesen worden, obwohl er der Zeit seiner Abfassung nach keineswegs der erste ist. Die Briefe an die Thessalonicher, Galater und Korinther sind früher geschrieben. Warum man ihm diesen Platz gegeben hat, geht zum Teil schon aus dem eben Gesagten hervor. In Verbindung mit der Beziehung oder dem Verhältnis des Menschen zu Gott werden in der Schrift zwei große Gegenstände behandelt. Diese sind einerseits der Mensch in seiner Verantwortlichkeit Gott gegenüber, und andererseits der Gnadenratschluss Gottes dem Menschen gegenüber. Der eine hat seine Darstellung gefunden in dem ersten Menschen, Adam, der andere in dem zweiten Menschen, dem letzten Adam, in Jesu Christo, dem Sohne Gottes. Der erste Mensch, aufrichtig und rein erschaffen, wurde in dem Stande der Unschuld in den Garten Eden gestellt, dessen zwei Bäume, der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, auf die Möglichkeit eines endlosen Lebens für den Menschen und auf die Verantwortlichkeit des Menschen Gott gegenüber hindeuteten. Statt dass der Mensch nun seine Abhängigkeit von Gott bewahrt hätte und so ewiglich auf der Erde hätte leben können, hat er sich gegen Gott erhoben, Sein Gebot übertreten und damit Leben und Unschuld verloren. Und als später in dem Gesetz vom Sinai die Frage bezüglich des Lebens und der Verantwortlichkeit noch einmal erhoben wurde, hat der Mensch das Gesetz gebrochen und ist unter Fluch und Gericht gekommen. Und wenn schließlich Gott in unendlicher Güte in der Person Seines Sohnes in dieser Welt erschien, hat der Mensch seinen hoffnungslos verlorenen Zustand in der Verwerfung der Liebe Gottes und in seiner bitteren Feindschaft gegen Christum geoffenbart. Damit war die Zeit der Erprobung des Menschen vorüber. Er hat sich nicht nur als unheilbar verderbt, sondern auch als ein Feind Gottes und ein Verächter Seiner Gnade erwiesen. So blieb nichts anderes für ihn übrig als Gericht. „Jetzt ist das Gericht dieser Welt", sagte der Herr, als Er zum Kreuze schritt
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