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DER LEIDENDE MANN - unsicher - ungenügend - unterlegen - ängstlich - überflüssig - frustriert - verletzbar DER SICH WEHRENDE MANN - allmächtiger Patriarch - unnahbarer Pascha - schweigender Buddha - kalter Eisberg - Emigrant - Flucht in die Müdigkeit - letzter Fluchtweg: Untreue DER ERLÖSTE MANN - führend - humorvoll - gesprächsbereit - mütterlich - väterlich - geborgen - liebend
MAN IS SUFFERING BUT WOMAN DON'T KNOW IT - der Mann leidet, aber die Frau ahnt es nicht. Diesen in schlechtem Englisch abgefaßten Spruch entdeckte ich auf einem kleinen Autobus in Ghana. Genau das, meine ich, wollte mein Mann in diesem Buch ausdrücken. Er hat mit mir mehr darüber gesprochen als über irgendein anderes Buch, das aus seiner Feder geflossen ist.
In seinen Notizen zu einem Nachwort für dieses Büchlein steht: „Zum Erlöstsein gehört auch, daß man sich mit Vorläufigem bescheidet. Man ist froh, in die richtige Richtung zu gehen, auch wenn man das Ziel nie erreichen wird. Auch in diesem Buch meine ich nicht, das Letzte über den Mann gesagt zu haben. Wer nur Letztes sagen will, schreibt nie."
In diesem Sinne bringen wir dieses Vorletzte von Walter Trobisch zur Welt. Möge es vielen Männern helfen, sich selbst besser zu verstehen und sich anzunehmen. Möge es aber auch den Frauen helfen, ihre Männer besser zu verstehen.
Ingrid Trobisch
Einleitung Kurt Tucholsky: LAMENTO
Der deutsche Mann
Mann Mann -
das ist der unverstandene Mann.
Er hat ein Geschäft, und er hat eine Pflicht.
Er hat einen Sitz im Oberamtsgericht -.
Er hat auch eine Frau - das weiß er aber nicht.
Er sagt „Mein liebes Kind. .." und ist sonst ganz vergnügt.
Er ist ein Mann. Und das
genügt.
Der deutsche Mann
Mann Mann -
das ist der unverstandene Mann.
Die Frau versteht ja doch nichts von dem, was ihn quält. Die Frau ist dazu da, daß sie die Kragen zählt.
Die Frau ist daran schuld, wenn ihm ein Hemdknopf fehlt.
Und kommt es einmal vor, daß er die Frau betrügt:
Er ist ein Mann. Und das genügt.
Der deutsche Mann
Mann Mann -
das ist der unverstandene Mann.
Er gibt sich nicht viel Mühe, wenn er die Frau umgirrt.
Und kriegt er nicht die eine, kommt die andere angeschwirrt. Daher der deutsche Mann denn stets befriedigt wird.
Hauptsache ist, daß sie bequem und sich gehorsam fügt.
Denn er ist Mann. Und das
genügt.
Der deutsche Mann
Mann Mann -
das ist der unverstandene Mann.
Er flirtet nicht mit seiner Frau. Er kauft ihr doch den Hut!
Sie sieht ihn von der Seite an, wenn er so schnarchend ruht.
Ein kleines bißchen Zärtlichkeit - und alles wäre gut.
Er ist ein Beamter der Liebe. Er läßt sich gehn.
Er hat sie doch geheiratet -was soll jetzt noch geschehen? Der Mensch, der soll nicht scheiden, was Gott zusammenfügt.
Er ist ein Mann. Und das genügt. 1931
Dieses Lamento von Kurt Tucholsky hörte ich im Jahre 1976 - also 45 Jahre nach seiner Entstehung - von einer Kabarettistin vorgetragen, die ihre ganze Aggression gegen die Männer in Stimme und Tonfall legte und damit die weiblichen Zuhörer sicher auf ihrer Seite hatte. Dabei schleuderte sie das dreifache „Mann, Mann, Mann" kurz und abgehackt in den Saal, so daß es jedesmal wie ein Paukenschlag wirkte. Dann ahmte sie eine Art Trommelrhythmus nach: „ta-ta-ta-täm, ta-ta-ta-rä-ta-täm". „Erhat ein Geschäft, und er hat eine Pflicht..."
Pauken und Trommeln! Laut und hart, ohne Rücksicht auf Verluste, ohne den Luxus von Geigen und Flöten und weichen, umrankenden Melodien - das ist der Mann.
Ach!
Natürlich zeichnet Tucholsky in seinem Lamento eine Karikatur, also etwas, das nur durch seine Übertreibung wirkt. Aber in jeder Übertreibung steckt auch ein Stück Wahrheit, das eben nur so zur Sprache und zu Gehör gebracht werden kann.
Dabei soll es dahingestellt bleiben, ob dieses Stück Wahrheit nur für den „deutschen Mann" gilt, oder ob es für den Mann
schlechthin zutrifft und lediglich beim deutschen Exemplar die
ser Gattung besonders deutlich zutage tritt.
Ich persönlich muß bekennen, nachdem mich mein Lebensweg durch Länder aller fünf Erdteile geführt hat: Ich finde hier
einen allgemeinen Wahrheitsgehalt und fühle mich selbst als Mann, nicht nur als deutscher Mann, davon betroffen.
Vor Jahren hat meine Frau ein Buch geschrieben: „Mit Freuden Frau sein". Seither lockte es mich, dazu eine Ergänzung zu liefern: „Mit Schmerzen Mann sein". Das wäre natürlich mit Augenzwinkern zu verstehen. Nein, so schlimm steht es um uns Männer nun doch nicht! Aber es ist immerhin merkwürdig: Über die Nöte und Belastungen der Frauen wird so viel geredet und geschrieben, wir Männer hingegen werden immer nur im Strahlenglanz von Kraft und Heldentum gesehen oder als die bösen Unterdrücker betrachtet. Wir müssen das starke Geschlecht spielen und brauchten doch viel eher jemanden, der uns in unseren Schwächen versteht. Dazu will ich mit diesem Buch beitragen.
Wir werden in unser Gespräch gelegentlich Dichter„ Psychologen und Mediziner einbeziehen. Und im dritten Teil werden wir der Möglichkeit nachgehen, als erlöster Mann zu leben.
Allen unverstandenen Männern, die sich an diesem Gespräch beteiligen, möchte ich jetzt schon sagen: Wir müssen nicht lebenslänglich unverstanden bleiben. Und noch etwas: Das Buch ist nicht nur für Sie, sondern auch für Ihre Frau geschrieben. Die Lektüre wird Ihnen beiden guttun. Und wenn Sie miteinander darüber reden, ist es noch besser. Für Sie beide. Für Ihr gegenseitiges Verstehen und Verstandenwerden.
Der leidende Mann
DER UNSICHERE MANN
Kennen Sie die Geschichte von jenem Rechtsanwalt, der einen befreundeten Kollegen bat, ihn in einem Prozeß zu vertreten? Er sandte ihm ein schriftlich ausgearbeitetes Plädoyer zu, das jener dort verlesen sollte. Beim vierten Argument aber war mit Bleistift an den Rand gekritzelt: „Wenn Du dieses Argument vorträgst, mußt Du die Stimme erheben und mit der Faust auf den Tisch hauen, denn es ist das schwächste."
Auch mancher Mann haut gelegentlich daheim mit der Faust auf den Tisch. Meistens wird er sich diesen Kraftaufwand jedoch sparen und statt auf den Tisch auf seine „Leistungen" pochen. Bei Tucholsky pocht der Mann auf sein Geschäft, auf seine Pflicht, auf seine Position, auf seinen finanziellen Aufwand für die Frau („er kauft ihr doch den Hut!"). Alle diese Argumente sind so schwach wie das vierte Argument des Rechtsanwalts. Eben darum muß ja auf sie gepocht werden!
Wenn der Mann sich seiner Stärke wirklich so sicher wäre, hätte er es dann nötig, sie immer wieder zu betonen? „Er ist ein Mann. Und das genügt". Genügt das wirklich? Könnte es nicht sein, daß er nur deswegen so sicher auftritt, weil er seine Unsicherheit verbergen muß?
Ich weiß nicht, ob es eine Statistik über Denkmäler gibt. Fast alle Denkmäler, die ich gesehen habe, stellten Männer dar. Der Mann, das ist der Gestalter, der Erfinder, das künstlerische Genie, der Held, der Eroberer. Diese Rollen muß er anscheinend auf der Bühne des Welttheaters spielen. Er soll sozusagen sein eigenes Denkmal darstellen.
In seinem Innersten aber sehnt er sich danach, nicht ständig neu gestalten, erfinden, erobern zu müssen. Er möchte etwas haben, was bleibt, ein Terrain, das ihm niemand streitig machen kann. Wenn er schon in seinem Berufsalltag ständig den „starken Mann" spielen muß, um nicht „untergebutter-t" zu werden, möchte er wenigstens in der Ehe bedingungslose Bewunderung
ISBN: 9783878270461
Edition Trobisch
Jahr: 1983
Einband: Paperback
Seitenzahl: 72
Format: 13,5 x 20,5 cm
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