Stolz ragt die Abtei Murbach aus dem Wälderkranz des schönen Wasgaus. Ihre Äbte sind Fürsten und ihre Mönche Söhne der Edelsten aus dem Elsaß. Sie beherbergt auch den Klosterschmied Ulrich Ilmfelder. Beeindruckend, wie selbstlos er sich für bedrängte Mitmenschen einsetzt und mit seiner jugendlichen Kraft gegen vielerlei Ungerechtigkeiten kämpft. Aber auch gegen entfesselte Naturgewalten, die die Bürger des Städtchens Gebweiler in größte Gefahr bringen. Ergreifend das Strafgericht Gottes gegen die Stadt und ihren Bürgermeister Eiring Grantner. Zart und schön dazwischen die erwachende Liebe zwischen Ulrich und Edula Grantner, der Tochter des Gebweiler Bürgermeisters.
Spitzgiebelig und eng aneinandergeschmiegt standen die alten Häuser um den großen, breiten Marktplatz herum. Fast alle hatten schwere, eichengeschnitzte Haustüren mit blankgescheuer-ten Messingklopfern, die in der Sonne wie pures Gold glänzten. Auch die schnurgeraden Fensterreihen darüber mit den kleinen, bleigefaßten Butzenscheiben spiegelten das Sonnenlicht wider, so daß es morgens und abends ein seltsam schönes, feuerfarbenes Glühen rings um den verträumten Marktplatz gab.
Direkt gegenüber des gewichtigen Rathauses mit seinem breiten Balkon, den schwere Steinsäulen stützten, lae auf der anderen Seite des großen Marktplatzes das stattliche Haus des Bürgermeisters Eiring Grantner. Breite Steinstufen führten zur Haustür empor. Um den hölzernen Laubengang lief oben ringsherum eine holzgeschnitzte Galerie, auf der in Töpfen allerlei bunte Blumen blühten: feuerrote Geranien und blaue Campanula, weißgelbe Margareten und samtbrauner, duftender Goldlack. Hier oben hinter ihrem Blumengitter sah man oft die dunkelhaarige Edula Grantner sitzen. Sie war des Bürgermeisters einzige Tochter und liebte den schönen, stillen Blick von hier oben ganz besonders. Über ihre Blumen hinweg sah sie in den langen, schmalen Garten, in dem schnurgerade, buchsbauwgefaßte Wege die sauberen Gemüsebeete einsäumten und etliche Apfelbäume im Hintergrund ihre Zweige wölbten und sich in dem kleinen Flüßchen spiegelten, das jenseits der Hecke zwischen Buschwerk und grünen Wiesen dähinfloß. Ganz in der Ferne sah sie Wälder und blaue Berge schimmern, die das Städtchen wie mit einem Kranz umgaben.
Es war am Spätnachmittag eines stillen, klaren Junitages. Goldenes Sonnenlicht fiel schräg durch die Baumzweige auf Rasen und Beete des Gärtchens. Schwalben schossen schrill jauchzend durch die goldklare Luft oder fütterten ihre zirpenden Jungen oben unterm Dachfirst.
Edula Grantner schien all die Schönheit um sie her gar nicht zusehen. Sie saß tief gebeugt über ihre Näharbeit. Süß duftete der Goldlack vor ihr auf der Galerie, und verträumt zwitscherten die jungen Schwälbchen über ihr in den Nestern. Edula Grantner hatte ein feines Gesicht, und ihre dunklen Zöpfe umrahmten die weiße Haut wie Ebenholz. Sie hatte den schmalen Mund beim Arbeiten ein wenig zusammengepreßt, das gab ihrem Gesicht etwas Kühles und Herbes. Ihre Augenlider waren gesenkt, so daß man nur die dunklen Wimpern sah und die feingewölbten Brauen. Jetzt kam die hölzerne Treppe vom Garten herauf ein altes, behäbi- ges Weiblein, das mit einer weißen Haube und einer
großen, sauberen Schürze bekleidet war Sie schlug die Hände zusammen und stemmte sie dann in die Seiten.
„Aber Edula! Hier sitzt du in aller Weltabgeschiedenheit und beachtest die Ereignisse nicht, die draußen im Städtchen passieren. Wie sie mit bunten Fähnlein und Blumengirlanden die Gassen und den Marktplatz schmücken. Wenn am Abend die Glocken von der Klosterkirche läuten, wird der Herzog zum fürstlichen Bankett im Rathaus erwartet."
Edula Grantner hatte ruhig weitergenäht, ohne auch nur einmal die Augen zu heben. Jetzt befeuchtete sie den neuen Faden mit den Lippen und versuchte ihn einzufädeln.
„Setz dich ein wenig auf die Bank, Base Schröpflin, du bist ja ganz außer Atem."
Die grauhaarige Frau sank pustend auf die weiße Birkenbank. „Die Sonne steht schon tief, Edula. Mußt du dich nicht zum Bankett umkleiden? Dein festliches Kleid hätte ich gerne bewundert. Drum kam ich eigentlich her."
Jetzt zog etwas wie ein Lächeln über Edula Grantners ernstes Gesicht. „Du sollst es sehen, Base Schröpflin. Es ist wirklich bald Zeit zum Ankleiden. Ich warte nur auf den Vater."
Die Base glättete ihre Schürze mit den Händen. „Wo man vom Wolf spricht”, lächelte sie und blinzelte verstohlen, ohne den Satz zu vollenden. -
Vom Haus her kam durch eine schmale Gartentür der Bürgermeister Eiring Grantner. Er war ein großer, hagerer Mann mit scharfem, hartem Gesicht. Sein dunkler, pelzverzierter Hausrock hing in schweren Falten um die langen, knochigen Glieder. Ein dünner, schneeweißer Bart reichte fast bis zum ledernen Gürtel. Die kleinen dunklen Augen hatten etwas Stechendes - fast Lauerndes.
Er ging unruhig auf dem Laubengang hin und her, die Hände auf dem Rücken.
„Nichts wie Ärger und Aufregung hat man mit diesem unguten Narrenfest. Die Bürger machen einen Lärm um den jungen Herzog, als käme der deutsche Kaiser selber geritten. Daß du dich schön machst zum Bankett, Edula! Denn ich wffl mit dir Ehre einlegen. Der Josef Hainzinger hat schon die ersten Rosen aus seinem Garten hergeschickt, mit denen du dich schmücken sollst"
Edula packte ihr Nähzeug zusammen und stand langsam auf. Sie hatte eine große und stattliche Gestalt und trug den Kopf wie eine Königin Bei den letzten Worten des Vaters zog sich ihre weiße Stirn in Falten.
„Was geht es den Josef Hainzinger an, was: für Blumen ich zum Fest trage? Die Rosen hätte er daheim in seinem Garten lassen sollen. Ich nehme sie nicht."
Sie warf den Kopf in den Nacken und wollte an dem Vater vorüber aus der Tür.
Der versperrte ihr den Weg und zwang sie so stehenzubleiben. Edula, mein Töchterchen, warum machst du ein solch böses Gesicht? Du weißt genau, daß ich viel von dem Josef Hainzinger halte. Und mein einziges Kind soll freundlich zu ihm sein, weil ich es so will." Edula zuckte die Achseln.
„Und warum Vater? Meinst du, ich wüßte nicht, daß es nur die wertvollen Äcker und Weinberge des Hainzinger sind, die dir so wohlgefallen? Und das große Kaufhaus in Nürnberg und die schweren Beutel Goldes?"
Der Vater rieb sich die knöchernen Hände, und ein wohlgefälliges Lächeln ging über sein hageres Gesicht.
Ist dir das alles noch nicht genug, mein stolzes Kind? Willst du noch höher hinaus mit deinem eigenwilligen Köpfchen? Es soll wohl gar ein Fürst oder Herzog sein, dem Edula Grantner einst die Hand reicht?"
Er lachte spöttisch auf und gab ihr den Weg frei. Sie sah an ihm vorüber in den dämmrigen Garten im Abendgold. In ihren dunklen Augen lag eine stille Trauer.
„Es ist nicht so, wie du sagst, Vater. Es braucht kein Fürst zu sein und kein Herzog. Nur ein Mann muß es sein, zu dem ich aufschauen kann mit Liebe und Achtung. Du weißt selber, was die Leute über