Als Ernst Deckers Mutter sehr früh starb, übernahmen die Großeltern die Erziehung. Das alte Bauernhaus in Hohenroth, in der herben Westerwaldlandschaft mit ihren dunklen Wäldern und braunen Feldern, in der hohen weiten Basaltheide erlebte er seine Kindheit.
Kurz vor Mitternacht
Gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben!« So schreibt der Verfasser des Hebräerbriefes. Es gehört zu den Segensführungen in meinem Leben, daß die Männer, die meine Lehrer waren, mir neben einem äußerst guten und gründlichen Unterricht das Wort Gottes nicht nur gesagt, sondern auch gelehrt haben. Der Mann, von dem jetzt das Erlebnis einer besonderen Gebetserhörung mitgeteilt wird, gehört zwar nicht zu meinen persönlichen Lehrern, die mich unterrichtet haben, aber er war ein wirklicher »Schulmeister«, wie die Lehrer früher in meiner Heimat genannt wurden, der neben seinem Amt als Lehrer einer höheren Lehranstalt vielen Menschen das Wort Gottes verkündigt hat. Es ist der weit über seine Siegerländer Heimat hinaus bekannt gewordene Rektor Jakob Schmitt aus Weidenau. Ihm war die Gnade einer besonderen Verbindung mit der Welt des Unsichtbaren gegeben. In seiner im Verlag R. Brockhaus in Wuppertal erschienenen Autobiographie »In Jesu Dienst gestellt« berichtet er über ein geradezu wunderbares Erlebnis der Erhörung eines Gebete
So wahr der Herr lebt ... ! «
Im letzten Weltkrieg war im Hause eines Bruders und Freundes viel schweres Leid eingekehrt. Zwei gesunde Jungen im Alter von 21 und 27 Jahren fielen kurz hintereinander. Einer davon war durch sein Tat- und Wortzeugnis ein gesegneter Jünger Jesu. Der älteste Sohn wurde ebenfalls eingezogen und kam in russische Gefangenschaft. Das alles legte sich besonders schwer auf das tiefe Gemüt der Mutter, so daß manchmal in ihr dunkel wurde. Das stellte aber auch den Glauben des Vaters auf eine harte Probe. Er brauchte Hände des Gebetes, die ihn stützten. Lange Zeit versammelten wir uns im kleinen Kreise einige Male in der Woche abends zum Gebet.
da kam ein unvergesslicher Abend. Es war am 18. Januar 1949. Die letzten Briefe des Sohnes bedrückten den Vater außerordentlich. Er erfuhr, was Sprüche 13, Vers 12 steht: »Lang hingezogenes Harren macht das Herz krank« (Elberfelder Übersetzung). Es wurde dunkel auch in ihm, und sein Glaube wurde schwach. Er sah keine Hoffnung mehr, den Ältesten noch einmal wiederzusehen. Da kam es hart heraus: »Ich kann nicht mehr beten! Gottes Angesicht ist hart gegen mich.«
Wir andern saßen still und flehten zum Herrn.
Einer der Brüder las ein Wort Gottes, und dann beteten wir. Als wir auseinandergingen, war das Angesicht des Vaters wie versteinert.
Das legte sich, als ich allein war, zentnerschwer auf mein Herz. Da blieb ich »stehen vor dem Herrn« und breitete die ganze Not vor ihm aus. Ich erbat vom Herrn, er möge mir doch im Blick auf den Sohn in Rußland ein Wort geben, das dem leidvollen Vater eine Hilfe sei. In aller Demut, aber auch im festen Glauben erbat ich etwas von ihm, was so in meinem Leben einmalig geblieben ist.
In seiner erbarmenden Gnade gab mir der große Gott das Wort Jeremia 16, Vers 15: »So wahr der Herr lebt, der die Kinder Israel geführt hat aus dem Land des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie verstoßen hatte. Ich will sie zurückbringen in das Land, das ich ihren Vätern gegeben habe. « Eine große Gewißheit kam über mich. Da habe ich dem Herrn gedankt und seine Treue gepriesen. Er gab Gnade daß auch der schwer heimgesuchte Vater dieses Wort als ihm gegeben ansehen konnte. Ich habe ihn aber darauf aufmerksam gemacht, daß der Herr sich das Wann vorbehalten habe. Wir wollten ihn durch Glauben ehren.
Wir kamen weiter mehrmals wöchentlich zum Gebet zusammen. Im Sommer des Jahres begann der Glaube des Vaters wieder schwach zu werden. Ich bat den Herrn von neuem um Hilfe. Da machte er mir innerlich ganz gewiß: Der Sohn kommt Ende November. Daß sich beim Vater gelegentlich Achselzucken zeigte, habe ich gut verstanden. Wahrscheinlich hätte ich es an seiner Stelle auch getan. Es war die Treue Gottes - nicht etwa mein »starker Glaube -, daß sich bei mir auch nicht der leiseste Zweifel einstellte. Ich war innerlich getrost und gewiss.
Der November 1949 kam. Es traf noch einmal ein Brief aus Rußland ein, der das Datum des 30. 10. 1949 trug. Am 29. November abends sagte meine Frau, die die Sache betend mittrug:
»Vater, weißt du auch, daß morgen der letzte November ist?«
»Ja, Hanna, ich weiß es.«
Wir beteten zusammen, meine Frau ging zu Bett und ich an den Schreibtisch. Da habe ich erst noch einmal dem Herrn gedankt für den Frieden, den er schenkt. Ich arbeitete bis gegen zwölf Uhr - das war der normale Abschluss des Tages - und schlief wie gewöhnlich schnell ein. Am nächsten Morgen - es war der 30. November - lasen wir wie gewöhnlich vor dem Kaffee