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AUS MUTTERS KINDHEIT BAND I
- die Reise nach Amerika
- Großmutter und der Schinderhannes
- der Stärkere
- das Dingesken
- die neuen Kleider
- das verkaufte Kind
- dennoch eine fröhliche Familie
allein lassen und meiner Arbeit nachgehen musste - sooft es ihre Schmerzen zuließen -, in wohl mehr als 50 Geschichtlein aufgeschrieben, "wie's daheim war". Und einige davon will ich euch zur Freude und zum gesegneten Nachdenken weitergeben.
So hat es meine Mutter berichtet:
Es war ein besonderer Tag für unser altes Haus gewesen. Zwei Geschenke hatte es erhalten. Unsere Mutter sagte, das, was sie in ein Tuch gewickelt hineingetragen hätte, wäre das wertvollere von den beiden. Das konnte unsere Auguste zwar nicht einsehen. Sie brummelte: "Von der Sorte haben wir doch schon selber genug." Aber Mutter antwortete mit ihrem freundlichen Lächeln: "Ein Kind ist immer ein wertvolles Geschenk Gottes, und wo zwölf satt werden, ist auch noch etwas für ein dreizehntes übrig."
Ihr merkt schon, dass uns Mutter ein Kind ins Haus getragen hatte, und diesmal kein eigenes, sondern das Söhnlein unserer Tante, die kurz nach seiner Geburt gestorben war.
Ja, das war also das erste Geschenk. Wir machten danach nicht viel Aufhebens davon. Es wurde in den alten Korbwagen gelegt und an schönen Sommertagen in die windgeschützte Ecke hinter dem Haus gestellt, wo wir alle schon gelegen hatten.
Das zweite Geschenk war anderer Art, und es dünkte uns Kindern wirklich wertvoller und wunderbarer als dieser kleine Bub, von dessen Sorte wir in der Tat schon genug hatten. Unser guter Großvater, Mutters Vater, der uns immer viel Gutes getan hat, gab Mutter eines Abends von einem besonderen Gewinn, den er gehabt hatte, 100 Taler.
100 Taler, das war für die damalige Zeit und besonders in den Augen von uns Kindern eine Riesensumme. Mein Bruder Karl sagte: "Das ist wie aus Amerika, und vielleicht hat es unser Großvater auch aus Amerika. Er will es uns bloß nicht sagen." Für Karl war Amerika der Inbegriff alles Wunderbaren. Unsere große Emma lachte ihn aus und fragte: "Warum sollte er es denn nicht sagen? Meinst du, er hätte Angst, du könntest sonst dahin auswandern?"
„Wer weiß, was ich später tu", murmelte Karl geheimnisvoll, und dann nahm er mich bei der Hand und zog mich mit sich fort in den Garten. Karl und ich waren immer besonders gute Freunde. Wir überlegten dann einmütig, was für uns wohl von den 200 Talern gekauft werden könnte. Großvater hatte nämlich ausdrücklich bestimmt, dass dieses Geld einmal nicht nach Mutters Wunsch als Notgroschen angelegt werden, sondern für allerlei mehr oder weniger dringende Bedürfnisse aufgebraucht werden sollte. Der gute alte Mann wusste wohl, dass es an so mancherlei bei uns mangelte. Nun, Karl und ich gingen nicht leer aus. Und trotzdem hat dieses "Amerikageld", wie Karl es nannte, gerade uns beiden großen Kummer verursacht.
Zuerst einmal wurden die Handwerker ins Haus bestellt. Die Maurer und Anstreicher hatten in der Wohnstube und in den beiden Kinderschlafzimmern mancherlei auszubessern und neu zu schaffen. Mutter hatte zwei Bodenkammern zurechtgemacht. Dort mussten Karl und Wilhelm, Alwine und ich in dieser Zeit schlafen. Die beiden Buben waren nicht gerade tapfere Helden, so groß ihr Mundwerk auch zuweilen war. Nun, und Alwine und ich brauchten als kleine Mädchen erst recht nicht mutig zu sein. „Dürfen wir den
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