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Ein Ehrenwort
Irgendwo tief im Herzen des Schwarzwaldes lag, von hohen Tannenbergen umgeben, in einem Tal ein stilles, verträumtes Dorf. Seine zerstreuten Häuschen boten mit den roten Ziegeldächern und den hohen Giebeln von der Höhe aus ein malerisches Bild. Acker und Wiesen, von klaren, forellenreichen Bächlein durchzogen, befeuchteten und belebten die friedliche Gegend. Kein Fabrikschornstein qualmte über die Häuser hinweg, keine Fabriksirene hörte man, und der Lärm der Städte war dem Dörflein fremd. Die Landstraße, welche das Dorf 'Weil' durchzog, kam von der Höhe und führte nach kurzem Übergang durch den Taleinschnitt wieder bergan zum Hochwald. Selten fuhr ein Auto durchs Dorf; dagegen konnte man täglich schwerbeladene Langholzwagen sehen, deren Räder unter ihrer Last ächzten. Sie kamen aus einer der vielen Sägemühlen im hinteren Nagoldtal und fuhren Stämme und Bretter ins Land hinaus, damit sie da draußen bauen und sonst allerlei Gerüste aus Holz herstellen konnten. Lustiger Peitschenknall und das Hü und Hott der Fuhrleute unterbrach dann die Stille des Alltags.
Von den Dorfbewohnern in Weil las kaum einer eine Zeitung. Die große Politik interessierte sie wenig. Die große Welt drau-
ßen, alles Getriebe und Hetzen, Jagen und Fragen war den stillen, entlegenen Schwarzwäldern unbekannt. Einmal am Tag ging der Postbote, er ersetzte den Weilern das Tageblatt und erzählte ihnen, was er auf seinen Wegen alles hörte und sah. Viel Aufregendes erlebte auch er nicht auf seinen Fußwanderungen, und so erfuhren die Ortsbewohner nur bei Gelegenheit, was sich Wichtiges unter der Sonne ereignete.
Wollte man zu Fuß nach Weil gehen, so brauchte man von der einen Bahnstation aus drei und von der entgegengesetzten aus
vier Stunden. Da überlegte man sich, ob man den Marsch unternehmen sollte; denn wenn man am selben Tag wieder zurück mußte, hatte man wenig Zeit, in die geheimnisvollen Reize des weltabgelegenen Tales und seinerWälder einzudringen. Dadurch ließ es sich erklären, daß verhältnismäßig wenig Fremde die stille Schönheit des Schwarzwaldortes kannten.
Für die verstreute Gemeinde und die zu ihr gehörenden Einzelhöfe stand ein Schulhaus in Weil mit einer einzigen großen
Schulstube. Unter ihr lagen die Zelle - das Gefängnis - und ein Geräteraum, über dem Schulzimmer die Wohnung des Lehrers. Neben dem Schulgebäude stand ein Kirchlein, einfach und schlicht, aber mit einem hohen, spitzen Turm, der zum Himmel aufwies. Auf dessen höchster Spitze drehte sich im Sommer und Winter, bei Tag und Nacht ein stolzer Hahn, um nach dem Wetter Ausschau zu halten. Dies Barometer trog die Weiler nicht.
Auch das Innere des Kirchleins war einfach und schlicht. Der einzige Schmuck war ein von einem Sägewerksbesitzer gestiftetes Chorfenster, das eine auffliegende weiße Taube auf rotem Grund darstellte, ein Symbol für Frieden und Reinheit. Wenn die Sonne auf das. Fenster fiel, leuchtete es hell auf und warf bunte Strahlen in das Schiff des Kirchleins. Die Weiler waren stolz auf diese Stiftung, und wenn ein Fremder ins Dorf kam, machten sie ihn darauf aufmerksam.
Schulhaus und Kirche standen auf einer klein eft Anhöhe, man sah sie deshalb schon von weitem. Die kleine Glocke, die iffi. Kirchturm hing, wurde mehrmals am Tage vom Mesner geläutet. - Sie trug ihre Töne in die Häuser hinein, wenn es Zeit war zum Aufstehen, im Sommer um fünf, im Winter um sechs Uhr. Gegen Mittag um elf Uhr rief sie die Bewohner von Feld und Wald zum Essen nach Hause, und abends in der Dämmerung mahnte sie die Großen und die Kleinen zum Händefalten und Beten.
Der Pfarrer, der die Weiler Gemeinde betreute, wohnte nicht am Ort, sondern fast zwei Stunden davon entfernt. Er hatte seine eigene Gemeinde und noch einige Filialen zu versorgen und kam deshalb jeden Monat nur einmal zur Predigt odef einem anderen Dienst in die Gemeinde. Alle vierzehn Tage kam aber ein junger Helfer und verkündigte nach bestem Wissen und Gewissen das Evangelium von der Liebe Gottes und dem Heil in Christus Jesus.
Im großen und ganzen führten die Bewohner von Weil trotz vieler Arbeit ein beschauliches Dasein. Die Männer fanden Arbeit und Verdienst im Wald und in den Sägemühlen; die Frauen schafften im Haus und bebauten die Felder. Korn wuchs in dem umschlossenen Schwarzwaldtal nicht, dazu war der Sommer zu kurz. Größere Bauernhöfe, wie man sie in günstiger gelegenen Orten fand, gab es in Weil nicht. Die Leute ernährten sich recht einfach, die Ansprüche. an Nahrung und Kleidung waren sehr mäßig, und so reichte es bei jedem zum täglichen Leben.
Zwei besondere Menschen wohnten in Weil, die hier vorab genannt werden sollen: der Bader-Michel und das Näh-Kätterle. Sie hausten jedes in einem eigenen kleinen Häuschen, oben am Berg, von wo aus der Blick über das Tal ganz besonders frei und schön war. Da führten sie ein friedliches Eigenleben
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