1. „Laß doch die Nadel dicker werden!" 7
2. „Dann bleibe ich bei Mutti!" 10
3. „Des Gerechten Weg ist Schlicht-" 13
4. Das größere Glück 23
5. „Wenn es nicht von Dir ist 25
6. „So jemand will mit dir rechten. . ." 28
7. Zwei Horoskope 36
8. „Die Karten lügen nicht. . ." 43
9. Der „tote" Punkt 415
10. Ein Ferienerlebnis 49
11. Einsamkeit 52
12. „ich bin keine Oma . . .''" 55
13. „Du sollst nicht stehlen!" 58
14. Die Versuchung 68
IS. Das vierte Gebot 73
16. Die große „Schmiede" oder: Eine seltene „Missionarin" 78
17. „Was der Mensch sät. . ." 85
18. Mutter, wo ist dein Kind? 89
19. Mutterliebe oder „Das weggegebene Kreuz" .... 92
20. Was eine Mutter vermag 96
21. „Wie die Mütter, so die Söhne" 99
22. „Man sieht keine Mühe in Jakob . . ." . . 102
23. Beten oder fluchen . . . . 105
24. Kette und Schuß . . . 108
25. Das Gewebe . . . 117
26. Gott lebt! . . • • • • • . • • 125
27. Der Weihnachtsgast • 131
28. Müssen wir uns bescheiden? 136
29. „Soviel der Himmel höher ist 138
30. „Einmal müssen wir alle als Narren passieren ... . 144
31. Wegweiserdienste . . • • • • • • • • • . • . • 147
32. Späte Lektion . . . • • • . . • 150
33. „Rührt kein Unreines an!" 158
34. Ein Mittel gegen die Angst ..
35. Deine Mutter, sie betet für dich
36. „Flaschenbier-Vertrieb" und „Die Frage des Kain" .. 166
37. Es geht nicht weiter als bis unter die Decke! 169
38. Ein „halber" Christ . . . 171 6
„Laß doch die Nadel dicker werden!"
Erika ist ein schwer erziehbares Kind, das den Eltern manche Not macht. Dabei ist sie ein schönes Kind, lernt spielend und ist selten bange. Sie versteht es auch, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und steht in der Gefahr, recht eitel zu werden.
Da gibt es nur eine Hilfe, den weisesten Erzieher zu bitten, daß aus dem Kinde doch noch etwas Rechtes werde. In dem Maße, wie ich das tue, merke ich, daß Erika ein feines Empfinden hat für alles, was mit der Gottesfrage zusammenhängt. Sie ist aufgeschlossen für die biblischen Geschichten und weiß genau den Unterschied zwischen dem, wie sie ist und wie sie sein sollte.
Wie ernst sie aber Gott nimmt, das zeigte mir das folgende Erlebnis, das mir eine große Freude gemacht hat:
Eines Morgens kommt sie mit Tränen in den Augen zu mir: „Ich muß sofort zur Schule, wir haben heute zuerst Handarbeit, und ich habe meine Häkelnadel verloren." Es ist schon höchste Zeit, wenn sie noch rechtzeitig in der Schule sein will. Ich besitze noch eine Nadel, die aber viel zu dünn ist für die Wolle, die sie hat. Da kommt es mir in den Sinn: Hier ist endlich eine Gelegenheit, Klein-Erika mehr zu helfen als nur aus einer augenblicklichen Verlegenheit. Deshalb sage ich zu ihr: „Komm, wir wollen Gott bitten, daß Er hilft." Das tut sie gern. Ich kann ihr beim Fortgang sagen: „Nun geh nur ganz getrost!" Die Tränen sind auch schon getrocknet, als sie eilig verschwindet. In meinem Herzen ist eine rechte Freude,
als ich sie weggehen sehe. Ich habe die Gewißheit, daß Gott ihr helfen wird.
Diese Gewißheit erfüllt mich den ganzen Morgen. Was können wir für unsere Kinder mehr wünschen, als daß sie so früh wie möglich lernen, diese Kraftquelle zu finden. Ich weiß es auch für Klein-Erika, daß sie für Zeit und Ewigkeit verloren ist, wenn sie nicht diesen Anschluß an den lebendigen Gott findet. Ich merke schon deutlich die zwei Mächte, die in ihr kämpfen. Deshalb freut es mich doppelt, als ich von ihr höre, wie es weiterging an dem betreffenden Morgen. Mittags erzählt sie:
„Auf dem Wege zur Schule habe ich immer gebetet: Lieber Gott, laß doch die Nadel dicker werden!"`
Ich mußte zuerst lachen über dieses kindliche Gebet. Wie soll Gott auf dem Wege zur Schule die Nadel dicker werden lassen! Das ist für uns Erwachsene unvorstellbar. Aber ist das kindliche Gebet deshalb unrichtig?
„Und wie ging es weiter?" fragte ich.
„Dann habe ich Gott fünfzig Pfennig für die Mission versprochen. Als ich dann in der Schule war, machte ich den Kasten auf und fand die richtige Nadel wieder."
Nun war ihre größte Sorge, Gott die fünfzig Pfennig zu schenken. Erika hatte es verstanden, daß die Hilfe aus der Not von Gott gekommen war, obschon die geliehene Nadel auf dem Wege zur Schule sich nicht verändert hatte.
Ich erzählte ihr dazu die Geschichte von dem kleinen Hans, der immer auf dem Wege zur Schule gebetet hatte, Gott möge doch die Turmuhr stillstehen lassen, weil er sonst zu spät komme. Aber die Turmuhr blieb nicht stehen, sie ging weiter. Es war schon sieben Minuten nach acht Uhr, als er bei der Schule ankam. Und was erlebt er da? Alle Schüler stehen noch draußen, weil der Lehrer das Schloß nicht aufbekam. Hans kann sich hinten anstellen und kommt noch mit den anderen in das Klassenzimmer.
Nicht so, wie Hans es wollte, hat Gott geholfen, sondern viel größer. Er hat schon fünfzig Jahre vorausgervußt, daß der
kleine Hans eines Tages beten würde, weil er in Verlegenheit war, und das Türschloß so konstruieren lassen, daß es an dem Morgen versagte. Wir wissen wenig oder nichts. Gott weiß alles. Und dann bilden wir uns ein, Gott sei nicht da, wenn Er uns nicht genauso erhört, wie wir es uns gedacht haben.
Ich will mich beschämen lassen von dem einfachen Glauben der Kinder, der nicht enttäuscht wurde. Wir beten auch oft um Veränderung der Nadel, die uns Not macht. Das sind die Sorgen, die uns täglich zu schaffen machen. Da ist der liebe Nächste, der uns auf die Nerven fällt; der Vorgesetzte, der uns Unrecht tut; der Untergebene, der so widerspenstig ist; die Krankheit, die nicht so schnell weichen will. Beten wir auch getrost: „Laß doch die Nadel dicker werden, laß doch die Not aufhören!" Und wenn dann die Nadel nicht dicker wird, dann hat Gott bestimmt einen anderen Weg, uns zu helfen. Aber daß Er hilft auf Seine göttliche Weise, das wird jeder rechte Beter erleben dürfen.