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Von Buddha zu Christus - Geschichte einer Bibel - verbrannter Götze Hans - Colbys Bekehrung - Wild heult der Sturm daher und fährt in die Äste der Riesenbäume, dass sie ächzend aufstöhnen, jagt über das Strohdach eines breiten Blockhauses und wirft sich gegen die hohe Wand des dunkel starrenden Waldes.
In der düsteren Halle des Blockhauses sitzt am glimmenden Herdfeuer ein Knabe. Außer dem schlafenden Greis auf niedrigem Lager und dem Jungen ist keiner im Raum. Beide wären gern mit auf die Jagd gegangen. Noch vor Wochen fühlte der Ahn sich kräftig genug, Meister Petz den Speer in die Rippen zu rennen. Aber rasch war seit einigen Tagen die Kraft gewichen. So musste der Greis sich bitter schicken, am Herdfeuer zu bleiben. Auch Ego wäre mit seinen zehn Jahren gern mitgezogen. Lachend hatte der Vater ihn abgewiesen und gesagt, er solle das Feuer hüten und dem Ahn zu Dienst stehen.
Nur ungern blieb er. Kann ich nicht den Speer genau so weit schleudern wie Sieghart?, dachte er grimmig. Als die Jagdgenossen fort waren, ging auch Gertraud, die alte Hausmagd, zur Nachbarsfrau und ließ den Jungen mit dem Ahn allein. Blitz und Krach! Das Haus bebt vom harten Donnerschlag. Ego zuckt zusammen; auch der Greis öffnet die Augen und wendet sich stöhnend zur Seite. Nun freut sich Ego doch, dass er nicht im Unwetter draußen ist. Aber auch in der Halle ist es unheimlich. Gespenstisch wirft das Feuer sein Licht auf die dunklen Holzwände. Draußen prasselt der Regen, rollt der Donner, jagt der Sturm. Ego muss an die Geschichten denken, die Gertraud ihm früher am Herdfeuer erzählte.
Ob Wodan jetzt mit dem Totenheer durch die Luft stürmt? Da, war das nicht das Wiehern von Sleipnir, dem Götterross? Klang nicht soeben das heisere Bellen von Geri und Freki durch den Sturm? Furchtsam drängt sich der Knabe näher ans Feuer und an des Ahnen Lager. Von den beiden gierigen Wolfhunden des Gottes hat er Schreckliches gehört; auch, dass Wodan Menschen raube und in den schwarzen Mantel schlage, um sie auf seinem Sturmross zu entführen. Der Ahn! Ein schnelles, zischelndes Röcheln hört man von seinem Lager. Jetzt ist es wieder ruhig. Ego beugt sich über den Schlafenden und erschrickt, denn das liebe, bekannte Gesicht beginnt sich grausig zu verändern. Ego liebt den Ahn. Die ersten kleinen Pfeile schnitzte er ihm und lehrte ihn die Fährten von Eber und Hirsch kennen. Auch fertigte er ihm kunstvolle Fallen für allerlei Kleinwild. Am liebsten hatte Ego es aber, wenn er aus vergangener Zeit erzählte, von Jagd und Kampf. Was ist mit dem Ahn?
Wieder dieses fremde Röcheln. Wenn nur der Vater käme! Jetzt schlägt der Greis die Augen auf und sieht starr auf den Knaben. »Ahn, ist es wahr, dass Wodan Menschen raubt und auf Sleipnir wegführt?« Nur um die Stille zu brechen, fragt Ego. Der Alte schweigt. - »Ahn, ist es wahr-?« »Schweig, Knabe«, fällt der Greis ihm ins Wort, mit langsamer, zitternder Stimme, »höre, was ich dir jetzt sage - und vergiss es nie. Wodan und alle unsere Götter - gebrochen ist ihre Macht. Ein anderer wird kommen, licht und stark. Mit ihm seine Boten. Weist sie nicht ab, sie bringen frohe Kunde!« Ego bebt bei des Alten Wort. Stillliegt dieser nun da, die Augen noch immer weit geöffnet. Grausen fasst den Knaben. Er eilt zur Tür. Kommt der Vater nicht? Sturm und Regen haben nachgelassen. Da werden sie nicht lange mehr säumen. Der Ahn liegt still, kein Röcheln und kein leises Stöhnen mehr. Warum ist der Ahn plötzlich so bleich geworden? Ego weiß keinen Rat mehr. Tritte und Stimmen vor dem Haus. Die Jagdgenossen! Durchnässte und sturmzerzauste Gestalten...
ISBN: 9783892878100
Verlag: CSV Hückeswagen
Jahr: 2002
Einband: Taschenbuch
Seitenzahl: 80
Format: 17x11cm
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