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Keine Patentantworten auf die Frage WARUM - Was Sie erwarten können - Enttäuschung - Ernüchterung - Versagen - Leid - geliebte Menschen leiden sehen - zu jung zum Sterben - zu alt zum Leben - die Behinderten - Zweifel - die eine Antwort - Wie kann man Menschen helfen, wenn sie leiden, versagt haben, zweifeln oder den Tod geliebter Angehöriger betrauern? Praktische Beispiele zeigen, wie der Glaube an Jesus Christus Menschen helfen kann, leidvolle Erfahrungen schöpferisch zu nutzen.
Leseprobe: Enttäuschung Unser Gefühl braucht Zeit
Als meine Mutter kurz nach dem Tod meines Vaters eine tiefe Enttäuschung erlebte, sagte sie: »Ich bin froh, daß Daddy nichts davon weiß. Er würde sich Sorgen machen, wenn er mich so außer Fassung sähe.
Ich war anderer Ansicht als sie. Zu seinen Lebzeiten hätte es ihn betrübt, sie enttäuscht zu sehen. Aber in der Bibel wird uns deutlich gesagt, daß wir - einmal bei Gott - wie Christus sein werden. Ich behaupte nicht zu wissen, was das im Letzten bedeutet. Aber wenn wir überhaupt einmal Christus gleichen, dann müssen wir doch auch jene höhere Warte teilen, von der er alles sieht, was uns auf Erden zustößt. Großer, bleibender Gewinn, zwei erfüllende neue Freundschaften und viele schöpferische Impulse - das alles schloß sich an die tiefe Enttäuschung meiner Mutter an. Diese »Segnungen« kamen mit etwas Verspätung (so jedenfalls schien es), aber von Gottes Warte aus spielt Zeit keine Rolle, wohl aber Kreativität. Ich glaube nicht, daß sich mein Vater gesorgt hätte! Von seiner neuen, höheren Warte aus hätte er gesehen, daß am Ende viel Gutes daraus entstehen würde.
Es mag scheinen, als bewiese die Erfahrung meiner Mutter die Wahrheit des alten Sprichworts: »Unsere Verlegenheiten sind Gottes Gelegenheiten.« Es mag ja wirklich stimmen, aber ich komme dennoch zu der wachsenden Überzeugung, daß wir nicht voreilig solche Schlüsse ziehen sollten. Das Leben läßt sich nicht unbedingt begreifen. Gott muß die Freiheit haben, auf seine Weise zu handeln, wenn wir eine Enttäuschung erleben. Deshalb wollen wir im folgenden ein paar von den muffigen Schränken unseres Geistes entrümpeln, die schon viel zu lange mit »christlichen Antworten« vollgestopft sind. Zumindest halten wir sie dafür, bis wir sie im Kampf mit einer schmerzlichen Enttäuschung anzuwenden versuchen. Dann nämlich kann es geschehen, daß sich die sogenannte »christliche Antwort« plötzlich gegen uns kehrt und uns unter den Händen zerrinnt.
Die Kündigung
Wir haben gewisse Vorstellungen von einem Menschen, erwarten ein bestimmtes Verhalten in einer besonderen Situation. Dann werden unsere Erwartungen plötzlich enttäuscht: Er oder sie benimmt sich völlig anders. Ein langgehegter Plan, der so vernünftig und praktisch aussah, fällt ins Wasser; unsere Erwartungen und Hoffnungen schlagen fehl, wir sind hilflos und können nichts dagegen tun. Ein fleißiger und gewissenhafter Arbeiter hegt die berechtigte Hoffnung, zum Jahresende eine Gehaltserhöhung zu bekommen und bekommt sie nicht. Monate- oder gar jahrelang haben sich zwei Liebende regelmäßig getroffen, dann löst ein Partner das Verhältnis, der andere steht vor den Trümmern seiner Hoffnungen und Träume. »Ich hatte allen Grund zu glauben, daß sie mich genug liebte, um mich auch heiraten zu wollen- daß sie mich so sehr liebte, wie ich sie«, sagte mir ein enttäuschter junger Mann. »Sie war zwar gern mit mir zusammen, aber nicht gern genug, um den Rest ihres Lebens mit mir verbringen zu wollen. « Ich kann mich noch an seinen gequälten Gesichtsausdruck erinnern. Er konnte es einfach nicht fassen.
Enttäuschungen in der Liebe sind nicht niederschmetternder als Enttäuschungen, wenn es um die Arbeit geht, die einen erfüllt hat und die produktiv war. Ganze sechs Jahre vor seiner Pensionierung wurde ein alter Freund von mir plötzlich und ohne Vorwarnung entlassen. Gewiß, man sagte ihm, er könne von sich aus »zurücktreten«. Aber das war das letzte, was er wollte. Er hätte Gewissensbisse gehabt, hätte er vorgetäuscht, freiwillig aus seiner Stellung ausgeschieden zu sein. Mehr als 25 Jahre lang hatte er sich nach besten Kräften für ein großes Unternehmen eingesetzt. Dann kam ein neuer Mann in die Firma, der die Stellung meines Freundes anstrebte. Mit nur 48 Stunden Kündigungsfrist wurde mein Freund vor die Tür gesetzt. Christus gab seinem Leben zwar genug
Halt, so daß er den Schlag verkraften konnte, ohne sein geistiges Gleichgewicht zu verlieren, aber die Narben sind noch immer vorhanden.
Das Recht auf Schmerz
Für eine solche Erfahrung ist das Wort »Enttäuschung« noch zu schwach. Selbst bei einem Christen vom Format dieses Mannes muß innerlich etwas zerbrechen, wenn er plötzlich von der Tätigkeit abgeschnitten wird, die ihn ausgefüllt hat, ja, in langen Jahren persönlichen Engagements ein Teil seiner selbst geworden ist. Rein verstandesmäßig wußte mein Freund, daß er auf seinem Arbeitsfeld so gut wie immer war - besser als die meisten. Er wußte, daß die Kündigung nichts mit seiner eigenen Tüchtigkeit zu tun hatte; daß sich lediglich ein anderer mit Tricks und Winkelzügen seine Stellung erschlichen hatte. Und doch mußte ich erleben, wie dieser Mann noch Monate später an sich und seinen Fähigkeiten verzweifelte.
Eine herbe, unvermittelte Enttäuschung weckt in jedem von uns ein Gefühl der Zurückweisung, und ich glaube nicht einmal, daß wir dagegen ankämpfen sollten. Wir dürfen zwar unserer inneren Zerrissenheit und unserem Gefühl des Verschmähtseins nicht die Herrschaft überlassen, aber zumindest sollten wir während dieser schmerzlichen ersten Wochen von Freunden verschont bleiben, die uns einreden wollen, daß wir uns zu Unrecht zurückgewiesen fühlen. Die meisten von uns wissen ja, daß dieses Gefühl trügt. Und doch läßt es sich nicht einfach über Bord werfen, wenn wir - wie mein Freund - einen Teil unseres innersten Wesens in die Arbeit gesteckt haben, die man uns gerade weggenommen hat. Das muß man sich einfach einmal klar machen.
ISBN:9783417202526
Verlag:R. Brockhaus
Erschienen:1977
Einband:Taschenbuch
Format:11 x 18 cm
Seiten:107
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