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Die Sturmnacht Es war eine finstere und stürmische Nacht. Vom Geräusch des Regens, der klatschend gegen die Fensterscheiben schlug, wachte ich auf und lag eine ganze Weile lauschend und zitternd da.
Die alten Fensterflügel klirrten so laut, dass ich jeden Augenblick dachte, der Wind müsse sie aus ihren Angeln reißen und ins Zimmer schleudern. Ich schlief mit meiner Schwester zusammen und als meine Furcht mit dem zunehmenden Sturm wuchs, streckte ich meine Hand aus und strich ihr leise übers Gesicht, um sie zu wecken. Elsi war zehn Jahre älter als ich (ich selbst war damals erst sechs Jahre alt), und es verlangte mich, wie so oft, wenn ich mich fürchtete, ihre freundliche Stimme zu hören. Sie war aber, wie ich selbst, ganz wach. Arme EIsi! Schon seit Monaten schloss der erquickende Schlaf der Gesundheit nicht mehr ihre müden Augen, und auch heute hatte sie wieder die alte Uhr im Treppenhaus elf, zwölf und ein Uhr schlagen hören. »Oh«, seufzte sie bei meiner Berührung, »diese langen schlaflosen Nächte! Es ist nicht leicht, in solchen Stunden daran festzuhalten, dass die Augen des Vaters im Himmel allzeit gütig auf einen herniederblicken. « »Ich fürchte mich so sehr«, gab ich leise zurück. Und wie um mir erst recht Ursache zum Fürchten zu geben, fuhr der Wind erneut mit fürchterlicher Gewalt gegen das Haus.
Ich schmiegte mich dichter an Elsi und drückte mein Gesicht Schutz suchend an ihre Schulter. Die Nacht war schaurig und schaurig klang das Heulen des Windes. Ächzend drang er durch alle Ritzen und Schlüssellöcher, fegte durch die langen verlassenen Gänge und leer stehenden Räume, jagte um das Haus, rüttelte an den Dachpfannen und sprang dann zum Wald hinüber, wo er die großen Bäume schüttelte, dass sie sich bogen wie Schilf. Unser Haus lag im Tal. Zur Rechten erhob sich ein ziemlich hoher Berg, der es gegen das Meer hin deckte, ohne jedoch, wie man hätte erwarten sollen, dem an seinem Hang lehnenden Haus einen guten und sicheren Schutz gegen die rauen Seewinde zu bieten. Das gerade Gegenteil war der Fall. Der Wind, um den Berg brausend, schien im Tal seine ganze Kraft zu sammeln zu einem Sturm auf die Behausung der Menschen. Auf der einen Seite von unserem Haus stand dichter Hochwald, und wenn der Wind da hindurchfuhr, dann rauschte und brauste es, dass man das Gefühl hatte, das tobende Meer wälze sich von allen Richtungen gegen uns heran. Trotz meiner Ängstlichkeit liebte ich mein altes, raues Küstenheim mit jedem Jahre mehr.
Es war ein großes weitläufiges, jetzt allerdings zum größten Teil verfallenes Gebäude mit langen Gängen und großen leeren Räumen, deren Decken zum Teil so beschädigt waren, dass Wmd ..und Regen ungehindert Eingang fanden. Vor vielen Jahren war es ein vornehmer Herrensitz gewesen, ein Rittergut, wie man sagte. Jetzt aber enthielt das Gebä1;1de, außer den vier Räumen, die mein Vater und meine zwei Brüder instand gesetzt hatten - drei Schlafzimmer im zweiten Stock und eine geräumige Wohnküche im ersten -, kaum einen Winkel, der nicht durch Zeit und Vernachlässigung so gelitten hätte...
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Bestell-Nr: BN7466
Autor: Paul Waltersbacher (Hrsg)
Titel: Gerdas Erlebnis von ihr seltst erzählt
Preis: 3,00 €
ISBN: 9783892878117 Verlag: csv verlag Jahr: 2004 Einband: Taschenbuch Seitenzahl: 80 Format: 17x11cm Zustand: neu Gewicht: 90 g
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