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Bestell-Nr: BN6437
Autor/in: Lothar Irle
Titel: Heiteres im Siegerland
Preis: 4,65 €
Format: 19 x 12 cm
Seiten: 87
Gewicht: 210 g
Verlag: Vorländer Verlag
Erschienen: 1960
Einband: Leinen
Sprache: Deutsch
Zustand: leichte Gebrauchsspuren
Einleitung
Von Zugezogenen wird dem Siegerländer oft Humorlosigkeit vorgeworfen. Man sieht in ihm den rauhen Mittelgebirgler, der allem Fremden mißtrauisch gegenübersteht, knapp in seiner Ausdrucksweise ist, entweder von Geschäftlichem oder aber von religiösen Dingen spricht und weder vom Karneval noch von reihenweise erzählten Zoten etwas hält. Allerdings gelang es Auswärtigen nicht leicht, in Kreise eingewurzelter Siegerländer Eingang zu finden. In der Gegenwart haben sich aber diese Verhältnisse der Vergangenheit gelokkert. Trotzdem bleibt Fremden der Humor schwer verständlich, weil dieser sehr stark in der Mundart wurzelt, dessen Feinheiten nur dem vertraut sind, der von Kindheit an in der Mundart lebt.
Herbert Schöffler schrieb'): „Humor ist blut- und raumgebunden wie Sprache und Dialekt." Er spricht vom aktiven altbayerischen, vom passiven sächsischen, vom objektiven Berliner und vom lebensmeisternden Kölner Humor. Unwillkürlich fragt man sich: Wie soll man den Siegerländer Humor nennen, oder wohin soll man ihn eingruppieren?
Bewußt sprach ich in der Themenstellung nicht vom Humor des Siegerländers", sondern faßte den Rahmen weiter: „Heiteres im Siegerland". Je mehr man sich in das Volkstum dieser Südwestfalen mit nassauischer Geschichte und rheinischem Gewerbe- und Handelsgeist vertieft, erkennt man, daß neben der Art des von Lützeler so treffend gezeichneten rheinischen Humors(2), der das lächelnde Ja zur Umwelt spricht(3) und in dessen immanenter Güte der Erzähler sich selbst mit meint(4), auch und wohl in viel größerem Umfang eine gänzlich andere, nicht sachliche, sondern persönliche Art des Belachens vor ut vi
banden Ist, welche die Schadenfreude herausfordert und die Schwäche der Mitmenschen zum Ziel hat.
Auf den ersten Augenblick mag man in der Kennzeichnung dieser Schwächen etwas Negatives erblicken. Es ist aber ein Zeichen für noch vorhandenen Geineinschaftssinn, wie er sich auch in andersartigem Volksgut darstellt, Wo noch das Brauchtum eines Dorfes lebt, da stellt sich jeder außerhalb der Gemeinschaft, der sieh an der Ausübung der Bräuche nicht beteiligt. Wer in einem Trachtendorf städtische Modekleidung trägt, begibt sich automatisch geistig aus dem Kreise der Dorfbewohner. Wer als in dem Dorf Geborener die Mundart des Ortes nicht mehr spricht, richtet eine kalte Wand zwischen sich und der Heimat auf. Die Gemeinschaft verlangt eine Anpassung an ihre Normen. Wer auch nur gering von diesen Normen abweicht, fällt dein Spott oder der Verachtung der anderen anheim.
Allerdings ist das Volk grausam und macht weder vor körperlichen Gebrechen vor Schwächen irgendeiner Art halt. In der Spitznamenbildung kann man also nicht nur von einem Erziehungsmittel zur Norm sprechen. Es ist vielfach eine kindliche Freude am bildlichen Ausdruck„ am Vergleich mit Geistern, Tieren und Gegenständen, die solche Namen formt. Was für den einzelnen Nachbarn innerhalb des Ortes Gültigkeit hat das gilt auch für den Bewohner der Nachbarorte und Nachbarlandschaften. Man sucht ehe Schwäche festzustellen und durch einen Spitznamen oder Kurzgeschichten dem Volksspott vorzustellen.
Erfreulicherweise ist der Lokalpatriotismus im allgemeinen aber nicht mehr so eng, daß man nicht über die eigenen Spitz-namen zu scherzen vermöchte.
Dieselbe Freude wie am bildlichen Ausdruck hat man an Besonderheiten der eigenen Mundart mit Wortspielen und sprachlichen Kuriositäten. Am meisten reizen aber auch bei der Mundart die Abweichungen der Nachbarn. Groß ist die Zahl der Originale in Vergangenheit und Gegenwart. Man möchte sagen, daß trotz der Sucht, in die dörfliche Norm zu erziehen, in manchem Dorf jeder zweite ein Individuum voll Originalität ist. Die Originalität besteht bei den
einen in einer Übersteigerung des Siegerländer Wesens, die nach der Auflockerung der alten Siegerländer Art erst recht von der humoristischen Seite gesehen wird, bei den andern wirkt eine Abweichung von der Norm kurios, Oft sind diese Originale unter ihrem Spitznamen bekannter als unter ihrem standesamtlichen Namen.
Zum Volkstum findet man keinen Weg, wenn man den Derbheiten ausweichen will, die in einer verkrampften Gesellschaftsordnung voll Unechtheit gesellschaftsunfähig geworden sind, während sie im unverbildeten Volke noch leben. Aus dieser Divergenz zwischen dem Drastischen derer, die sich bewußt gegen Überfeinerung wenden, und derer, die sich unbewußt solcher Begriffe bedienen, die nicht mehr allgemein bräuchlich sind, auf der einen und anderer, die sich etepetete und modisch benehmen, auf der anderen Seite entsteht manche Situation, die vom Volke belacht wird und in seinem Anekdotenschatz haften bleibt.
Ob die im Volke erzählten Geschichten sich alle genauso begeben haben, ist nicht wesentlich. Es geht wie mit dem Zersingen des Volksliedes, Text und Melodie werden in Einzelteilen verändert. Daß die Geschichten aber so im Volke leben, ist ein Zeichen, daß sie aus dem Geiste des Volkstums der Landschaft geboren sind.
Den Anekdoten wird meistens die Würze durch die Mundart gegeben. Durch das genaue Bekanntsein mit all ihren Feinheiten werden oft die Pointen erst verstanden. Gewissermaßen als Anhang ist Heiteres in alten Siegerländer Schriftstücken mit aufgenommen, obgleich es nicht in das Gebiet der Volkskunde, sondern eher in die Kulturgeschichte gehört, Die Berücksichtigung des Siegerländer Schrifttums ließ sich rechtfertigen, weil die betreffenden Schriftsteller .mitten im Volkstum lebten und sich der heimischen Mundart bedienten.
Möge dieses Büchlein hinauswandern als ein guter Freund der Siegerländer, der ihre Schwächen kennt, sie aber nicht kritisiert, sondern der sich darüber freut, daß ein so lebendiges Volkstum vorhanden ist, mit viel Lachen über sich selbst und andere!
Heinrich Lützeler „Philosophie des Kölner Humors" Honnef 1955 ebd. 5. 21
Seite 22
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