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Abschied nahmen die Herren, wollten noch einen Gang durch die abendlich stillen Straßen tun und morgen früh aufbrechen.
»Mir ist bei dem Handel doch nicht ganz wohl zumute«, knurrte der Leinfinger Herr. »Wenn die Drossel sich nur nicht zum Edelfalken entwickelt, der unbarmherzig zupackt und zupackt.«
»Lasst sie doch«, lachte der Graf von Katzenelnbogen leise, »es schadet auch nicht unserem Kurfürstlichen Herrn, wenn er einen ebenbürtigen Gegner findet. Allzu stolze Größe bei ihm dürfte auch für uns gefährlich werden.« Der andere nickte, und schweigend gingen sie ihren Weg.
Der Winter hatte ungewöhnlich früh eingesetzt und war so schwer und lang geworden, wie schon seit Jahren nicht mehr. Die stolze Mosel verschwand monatelang unter einer glitzernden Eisdecke, und der Schnee war in solchen Mengen gefallen, dass es aussah, als wolle er nie wieder der Macht der Sonne weichen und hätte das Leben ertötet. Das Wild kam bis an die Burgmauern, von nagendem Hunger getrieben.
Auf der Starkenburg lebte man still und abgeschlossen dahin. Selten drang eine Kunde aus der Welt draußen auf den steilen Berg. Die Wege hinab oder herauf waren beschwerlich, und zudem hemmte der Winter mehr oder weniger alle Unternehmungen, nicht nur die kriegerischen.
Es war sehr still auf der Burg. Die fröhlichen Kinderstimmen fehlten allen, der Mutter aber am meisten. Nun war nicht nur Johannes, der älteste Sohn schon mehr als zwei Jahre am kaiserlichen Hof zur Erziehung und Ausbildung in allen ritterlichen Künsten und Tugenden und allem anderen, was seine hohe Stellung im späteren Leben erforderte, sondern auch Heinrich, der zweite Sohn, war seit mehr als einem
Jahr fort. Er wurde in Köln, am Hof des Erzbischofs Heinrich erzogen, von wo aus er zur Fortsetzung seiner Studien später nach Paris gehen sollte. Er hatte große Neigung zum geistlichen Stand, ebenso sein jüngster Bruder Gottfried. Auch von diesem hatte sich Gräfin Loretta trennen müssen. Er war in das Alter gekommen, wo es die feine Sitte erforderte, daß die Söhne von der elterlichen Burg fortgingen. Das kam hier um so mehr in Betracht, weil die starke Hand des Vaters ihre Erziehung nicht mehr leiten konnte. Mit tränenden Augen hatte die Mutter ihren Sohn ebenfalls nach Köln gebracht, und nur das eine gewährte ihr eine gewisse Erleichterung, dass die beiden Brüder, die sehr aneinander hingen, nun zusammen sein konnten. Auch war Köln nicht gar so weit von der Starkenburg entfernt. Da bestand doch die Möglichkeit, sie öfters wiederzusehen. Außerdem konnten sie hin und her auf etliche Wochen nach Hause zurückkehren.
Fürs erste aber war das weniger erwünscht. Die Zeit war so dunkel und schwer, dass Loretta froh war, ihre Söhne fern von der Burg und in Sicherheit zu wissen. Nur nach ihrer Schwester Blanche sehnte sie sich in dieser Zeit mehr denn je.
Die Kunde, die ihr der Vetter von der Kauzenburg bei Kreuznach, Johannes von Sponheim, im Spätherbst gebracht hatte, war so niederdrückend gewesen, dass sie alle ihre Tapferkeit zusammennehmen musste, um stark zu bleiben. Wohl sagte er ihr sofort den Beistand der ganzen Verwandtschaft zu, die bereits mit ihm darüber in Verbindung getreten war. Aber die Tatsache blieb doch bestehen, dass der mächtigste Fürst im deutschen Reich, der Kurfürst und Erzbischof von Trier sie mit Krieg überziehen und ihre Lande mit Feuer und Schwert vernichten wollte. Die andere Tatsache war, dass sie seinem mächtigen Aufgebot ein knapp zweidrittel so großes entgegenstellen konnte.
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