Jamie wächst als junge Waise im schottischen Hochland, in den Bergen von Donachie, auf. Dort, in der wilden unberührten Natur hütet sie die Schafe ihres Großvaters - doch ihr großer Traum ist, einst eine Lady zu sein... Jamies Weg von der Schafhirtin zur Lady führt sie auf das Landgut von Lord Graystone. Doch dann kommen ungeahnte Geheimnisse an den Tag... Die Geschichte einer jungen Frau auf der Suche nach Liebe und nach sich selbst.
Leseprobe: Abendwache
Die dünne Sichel des Mondes wanderte langsam auf ihrer Bahn am Nachthimmel weiter. Die silbernen Strahlen ihres widerspiegelnden Glanzes warfen gespenstische Schatten über das Moorland. In wenigen Tagen würde der Mond tapfer auf dieses einsame Land herniederscheinen, aber in seinem ersten Viertel war er kaum in der Lage, das unscheinbare Bauernhaus zu beleuchten, das schweigsam in den himmlischen Strahlen badete, als warte es auf eine bevorstehende große Wende. Aber selbst das Licht eines Neumondes reichte aus, um die starken Steinmauern, den massiven Kamin und den gepflasterten Weg, der zu der stämmigen Eichentür führte, zu erkennen. Dieses Haus war kaum das Zuhause eines vornehmen Gutsherren, und doch lag ein gewisser Hauch über dem Ort - wenn er auch nicht gerade von Wohlstand und Überfluß zeugte, so war doch wenigstens ein tapferer, wenngleich vielleicht zögernder Schritt in diese Richtung zu spüren.
Im Inneren zeigte das Landhaus sein wahres Gesicht. Alles war einfach und grob behauen, selbst für die Maßstäbe der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts, aber es war sauber und aufgeräumt. Ein dunkelhaariges Mädchen stocherte in dem glühenden Torffeuer im Herd herum und blies hin und wieder hinein und entfachte die verlöschende Glut noch einmal zu Leben und Wärme. Ihr reines Gesicht und ihre großen unschuldigen Augen, in denen sich der flackernde Tanz vereinzelter Flammen widerspiegelte, hätten bei einem Fremden den Eindruck erweckt, sie wäre nicht älter als vier Jahre. Doch ihr Benehmen und Gebaren ließ auf zwölf Jahre schließen; in Wirklichkeit war sie sieben. Sie erhob sich vom Feuer, ging zu ihrem Holzstuhl zurück und legte, die Ellbogen auf den rauhen Kieferntisch gestützt, ihr Kinn in ihre winzigen Hände. Nach wenigen Augenblicken fielen ihr die Augen zu, doch schnell schreckte sie wieder auf; sie wollte nicht bei ihrer Abendwache einschlafen.
Viele Nächte lang saß sie so auf ihrem Stuhl, entfachte immer wieder das Feuer, döste leicht ein, starrte verzaubert in den röt-