Mein Viergespann, Frau Brigitte

Die Vorstellung 5

Vorm Umzug 22

Vom lieben Gott 36

Mutter und Kind 50

Beim Spiel 57

Krankheit 67

Was sie sagen 73

 

Die Vorstellung

Also meine vier: von ihnen will ich erzählen. Warum wohl? Sind sie vielleicht besonders klug oder begabt?

Nicht im geringsten.

Sie sind nicht ein bißchen anders als andere Kinder, nichts drunter und nichts drüber - Gott sei gedankt - völlig normal und gesund dazu an Leib und Seele.

Freilich, wenn ich ganz ehrlich sein soll, für mich sind es die schönsten, die besten, die klügsten, die es auf der ganzen Welt gibt, vor allem die liebsten. Ja, ich bin manchmal erstaunt, daß es nicht alle Menschen sehen und sich mit mir wundern, daß es soviel Lieblichkeit und Reinheit, soviel gläubiges Vertrauen und Kindlichkeit überhaupt heutzutage noch gibt - und noch so viel dazu - und alles auf einem Hümpel.

Aber ich will jetzt einmal nicht mit dem Herzen sehen, sondern mit den Augen, und da muß ich es wiederholen: es ist gar nichts Besonderes an ihnen dran.

Und gerade darum will ich von ihnen erzählen. Denn welche Mutter möchte von Wunderkindern lesen, die so überklug sind, daß ihr ihre eigenen ganz dumm dagegen erscheinen?

Was ich von meinen Kindern zu erzählen habe, ja, das oder Ähnliches kann jede Mutter bei den ihrigen erleben, und da kann sie dann getrost vergleichen und sich freuen, wenn ihre Kinder braver und klüger sind.

 

Und sollte ihr an meinen Vieren irgend etwas besonders gut gefallen, dann soll sie wieder ihren eigenen Kleinen davon erzählen, damit sie es nachmachen.

Ob ich die Geschichte ein wenig verschönere, um sie interessanter zu machen?

Ach nein, ich will nur das Telefon sein, durch das die kleine Gesellschaft selber spricht, denn sie und ich wollen ja eine bestimmte Meinung mit unserem Erzählen verfechten -, und das können die Kleinen besser als ich: „Wir sind Seelen, genau wie die Großen - und haben unsere eigenen Gesetze genau wie die Großen und stehen vor Gott den Großen ebenbürtig gegenüber. Wir sind kein Spielzeug, sondern wollen ernst genommen werden, bitterernst. Viel könnt ihr von uns lernen an Gottvertrauen und innerer Wahrhaftigkeit. Wenn wir schon einmal ein bißchen schwindeln, so liegt das meist an der Oberfläche, und sind wir mal ein bißchen dumm oder ein bißchen faul und eigensinnig oder was es für Unarten gibt, dann sollt ihr Großen uns helfen. Euch selbst täte es sicher auch oft ganz gut, wenn ihr mal einen Klaps kriegtet. So gebt uns denn diese Hilfe, wenn es nötig ist, vor allem aber schafft uns guten Boden, auf dem wir wachsen können. Das ist eure Aufgabe und soll auch eure Freude sein und euer Reichtum."

Sie selbst sind so überzeugt von ihrem Wert. Als Werner noch ein ganz kleiner junge war, da fragte er mich: „Sag mal, Mutti, warum sind Müllers denn sooo arm, und wir sind so schrecklich reich?"

Und Müllers waren Millionäre, und wir hatten kaum das tägliche Brot.

„Wieso denn, Wernerle?"

„Ja, denk mal, wir haben vier Kinder, und die haben nicht ein einziges."

Und da war ich im tiefsten Herzen davon überzeugt, daß er recht hatte, und ich bin es noch, daß wir wirklich schrecklich reiche Leute sind.

So will ich denn nicht wie der Geizhals meine Schätze für mich behalten, sondern will sie jedem weisen, der Liebhaber von „derlei Dingen" ist.

Nur die Namen will ich ändern, - damit es ihnen nicht einmal so ergeht wie einem berühmten Kanzelredner, der in seiner Heimat predigte. Die ganze Gemeinde schien tief ergriffen. Da kam ein altes Weibchen zu ihm in die Sakristei gehumpelt - und sagte: „Ach, Herr Pfarrer, es war zu schön. - Die ganze Zeit habe ich daran denken müssen, wie Sie noch mit der Schmalzstulle auf der Haustreppe saßen." Nein, man soll meinen Kindern keine Schmalzstullen vorwerfen dürfen, auch keine geistigen, - darum: Hokuspokus, eins, zwei, drei - nun sind sie umbenannt.

Also da sind sie.

Zuerst Werner. Er war ja auch der erste, den Gott uns schenkte. Acht Jahre ist er jetzt und groß und kräftig - zuverlässig und unzuverlässig, zaghaft und tapfer, alles zusammen. Wie oft am Tage muß Mutti ihn zurückrufen, weil er es vergessen hat, sein Bett zu machen, die Schürze wegzuhängen oder die Türe zu schließen!

Und in der Schule!

Freilich das Rechnen geht von selbst, aber das Diktat! Einmal kam er mit sechsundzwanzig Fehlern nach Hause und meinte, als er Muttis Entsetzen sah: „Das ist Vererbung, du bist auch nicht gut in der Schule gewesen."

Mutti meinte freilich, mit festem Willen und Gottes Hilfe ließe sich auch Vererbung überwinden. Aber das machte wenig Eindruck, und erst als das Peitsch