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Wörtlich genommen heißt Philosophie Freude an der Weisheit oder Zuneigung zum Wissen. Im engeren Sinne umfaßt die Philosophie die Versuche des menschlichen Geistes*, durch seine Vernunft das ganze Sein zu erfassen und in ein System zu bringen, zudem das Denken zu erklären und Denkinhalte zu ordnen.
Unsere Wanderung durch die Geschichte der Philosophie von Thales von Milet bis zur Gegenwart möchte dem Leser die bedeutendsten Gestalten und Epochen verständlich und zugänglich machen. Die Geschichte der Philosophie ist darum so faszinierend, weil sie die großartigsten Anstrengungen des menschlichen Geistes (unserer Vernunft) aufzeigt, denn zu allen Zeiten hat der Mensch die Rätsel unseres Daseins zu lösen versucht. Die Frage nach Gott und die Frage, was ist der Mensch, lassen den Geist des Menschen nicht zur Ruhe kommen, bis er eine Antwort gefunden hat, die ihn einigermaßen befriedigt.
Trotz seiner zweieinhalbtausendjährigen Bemühungen ist es dem menschlichen Geist nicht gelungen, diese Fragen zu lösen. Wir können darin eine Tragik des philosophischen Ringens erkennen.
Manche Philosophen haben die Beschränktheit des menschlichen Geistes nicht eingesehen. Sie hätten mit diesem Eingeständnis ihr Unvermögen bekennen müssen. Es liegt aber im Wesen der Philosophie, weiterschreiten zu müssen, auch wenn sie ihre Ziele nie erreichen wird. Philosophie ist immer am Anfang und zugleich am Ende. Sie ringt ständig nach neuen Erkenntnissen und bleibt zugleich durch dieses Bemühen in sich selbst stecken. Nachdem sich der Mensch, dessen Leben vorrangig auf die Nahrungsbeschaffung ausgerichtet war, durch bewußtes Nachdenken, über die Welt in der erlebte, auseinandersetzte, begann er auch, auf die ihn umgebenden Rätsel des Daseins eine Antwort zu suchen. Die Erscheinungen der Natur, der Wechsel der Gestirne, die Niederschläge, Winde und Gewitter blieben ihm unerklärlich. Sein eigenes Leben, eingespannt in Geburt und Tod, bot ihm unverständliche Rätsel. Sein Geist aber verlangte eine Antwort, und weil er nicht in der Lage war, diese Antworten zu finden, verlagerte er die Möglichkeit zur Antwort »in den Himmel« und schuf sich so eine Geister- und Götterwelt, die ihm wiederum unverständlich war.
Im Gegenteil, sie beschwerte ihn, und trotzdem gab er diesen Geistern göttliche Vollmacht, volle Autorität über sich selbst und war gewillt, sich dieser Autorität zu beugen. Je tiefer und intensiver er sich mit dieser Götterwelt beschäftigte, desto stärker wuchs seine Abhängigkeit von ihr, umso lebendiger wuchs sein Verlangen, sich ihr zu beugen, sein Leben nach ihr zu richten, um in diesem Gehorsam die Rätsel seines Dasein doch noch zu lösen.
In der Entfaltung und Entwicklung dieses Geschehens bildeten sich besonders begabte, auch geschäftstüchtige Männer heran, die sich als besonders fähig erwiesen, die Wunder der Natur und die Kräfte der Geister zu erklären. Sie stellten die Verbindung zu den Dorf- und Stammesangehörigen mit den überirdischen Geistern her. So entstanden Zauberer und Medizinmänner, die ihre besonderen Beziehungen zu den überirdischen Kräften gewandt auszunützen verstanden. Es sind dies die ersten Interpreten der Grundfragen unseres Lebens. Der Nichteingeweihte war auf diese Gestalten angewiesen. Er selbst wußte keine Antwort, aber der Zauberer beherrschte anscheinend dieses Gebiet. Wir wissen, daß diese Gaukler ihre Macht über Leben und Tod auf die grausamste Art ausgenützt haben.
Diesem Medizinmann folgt auf höherer Stufe der Priester, der seinerseits auch mehr und bessere Erkenntnisse besitzt als der gewöhnliche Mann. Er beschäftigt sich mit Astronomie und Mathematik. Er beherrscht den Götzendienst und den Ritus der heidnischen Götterverehrung. Sein Raum ist die Religion, aber er ist immer noch Interpret und nicht Philosoph. Dieser steht im Raume der Vernunft. Er ist nicht mehr der Vermittler zwischen den Menschen und den Göttern. Er bejaht nicht, wie der Zauberer, die Rätsel, die er selber nicht versteht, sondern er beginnt zu fragen. Einfacher gesagt; der Zauberer behauptet: es ist so, der Philosoph fragt: ist es so? und mit dieser Fragestellung unterscheidet sich der Philosoph grundsätzlich vom Medizinmann und vom Priester. Noch deutlicher: Der Priester, auf den verschiedensten Kulturstufen, erklärt: Weil es so ist, sollst du es auch glauben. Der Philosoph aber fragt: Ist es so? und kann ich das glauben? .Ein Beispiel: Der Priester behauptet: die Sonne besteht aus Feuer, und ein Gott (Prometheus) bat den Menschen das Feuer gebracht, es ist so. Der Philosoph fragt: kann das Feuer durch einen Gott uns Menschen gebracht worden sein? Ist es so?
Wir begegnen hier dem diametralen und bedeutungsvollen Unterschied zwischen Priester und Philosoph. Der Priester behauptet, der Philosoph fragt. Der erstere steht mit seinen Anhägern auf dem Boden des Glaubens. Der Philosoph steht mit seinen Anbän-
* Verstand und Vernunft sind nur ein Teil seines Geistes
ISBN: 9783878571674
Format: 20,5 x 13,5 cm
Seiten: 166
Verlag: Schriftenmission der Evangelischen Gesellschaft
Erschienen: 1980
Einband: Paperback
Zustand: wie neu
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