DAS BEGRÄBNIS
Im Innern des Hauses war es fast dunkel. Der alte Mann lag bewegungslos neben dem Feuer, das in der Mitte des Raumes nur noch mit schwacher Flamme brannte. In einzelnen Gruppen saßen etwa ein Dutzend Menschen zusammen und unterhielten sich leise. Im Schatten, auf der rechten Seite des Raumes, war eine Frau mit dem Kochen von Schweinefutter beschäftigt. Sie rührte den dampfenden Brei, und hin und wieder schob sie ein Stück Feuerholz nach.
Der Alte atmete schwer und stöhnte. Sein Gesicht war bleich und abgemagert. Der Dämonenpriester war bestellt worden, und die Verwandten saßen herum und warteten auf ihn. Alle Augen blickten zur Tür, als er endlich eintrat: eine schwarze Gestalt mit geschorenem Kopf. Lediglich ein Büschel Haare, einem Pferdeschwanz ähnlich, hing von seinem Scheitel herunter. Seine Wangen waren eingefallen, und seine schmalen grauen Augen glänzten fiebrig.
Der Greis drehte den Kopf. „Hör mir zu", sagte der Dämonenpriester in singendem Ton. „Er muß schnell sprechen", flüsterte einer der Verwandten. „Es ist kaum noch Zeit. Seine Seelen werden ihn bald verlassen." „Wohin werden sie gehen?" fragte einer der Jüngeren. Der sehnige Körper des Priesters bewegte sich in Zuckungen, als er mit der Beschwörung begann.
„Eine deiner Seelen wird im Grabe bleiben, eine wird wieder zu Fleisch werden, und eine geht in das Reich der Toten. Deine Reise beginnt bald. Ich werde dir aber den Weg zum Himmel zeigen. Wenn du am Tor ankommen wirst, wird sich ein Türhüter weigern, dich einzulassen, aber du mußt ihn anflehen, dir zu öffnen. Wenn du ihm versprichst, dich zu ändern, wird er dir den Weg freigeben. Du mußt schnell hineinschlüpfen und weitergehen. Nach einer Weile wirst du an eine Kreuzung kommen, wo sich drei Straßen kreuzen. Die eine rechts ist für die Chinesen, die linke für die Lisu, Nosu und Lolo, aber die in der Mitte ist die Meo-Straße, auf der alle deine Vorväter gegangen sind. Wenn dir dann jemand begegnet, prächtig gekleidet, und dir den Weg zeigen will, folge ihm nicht, denn er ist ein Betrüger und keiner deiner Ahnen. Wenn du aber jemand siehst in einem einfachen und groben Gewand, von dem laß dich führen, denn er gehört zu deinen Vorfahren."
Im Raum war es ganz still geworden, nur der alte Mann rang nach Atem. Der Priester kam zum Ende: „Ich habe dir nun den Weg deiner Ahnen gezeigt. Du wirst für immer dort bei ihnen bleiben."
Der alte Mann fiel zurück und war tot. Ein aufkommender Wind riß an den Blättern des Pfirsichbaumes neben dem Haus, und Hua meinte, das Gelächter der Dämonen zu hören. Nach einem Augenblick der Stille brach die Totenklage los. „Komm zurück, Großvater", schrie eine junge Frau und warf sich über den Toten. „Ich wollte dich nie beleidigen", rief eine andere, aus Angst vor der Vergeltung der ausgefahrenen Geister.
Einer nach dem anderen warf sich über den Leichnam und bat seine Seelen zurückzukommen, aber er lag aschgrau und bewegungslos da. Schnell durchschnitt der Priester die Amulette an den Fußgelenken und setzte mit seiner Geisterbeschwörung fort. Bald konnte die Totenklage und das monotone Dröhnen des Gongs bis auf den Berg oberhalb des Dorfes gehört werden.
Auch Frau Doo Mbe hörte es, als sie mit einer Ladung Schweinefutter den Bergpfad entlangschritt. Sie blieb stehen und blickte hinunter auf das Dorf. Sie seufzte: „Der alte Vater Lee ist endlich gestorben." Von ihrem Standort aus konnte sie das ganze Dorf überschauen. Es waren etwa hundertvierzig Häuser, die sich in einer Senke zusammendrängten. Ihre langen Strohdächer