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PANDITA RAMABAI (1858-1922), die jüngste Tochter eines indischen Gelehrten, wurde in der Wildnis geboren. Schon mit sechs Monaten mußte sie mit ihren Eltern eine jahrelange Wanderschaft durch Indien antreten, die schließlich mit dem Hungertode der Eltern und Geschwister endete. All dieses schwere äußere Erleben wurde wegbereitend für ihre innere Entwicklung. Ramabai war außerordentlich begabt: sie beherrschte das Sanskrit, die alte Gelehrtensprache der Inder, völlig und ist daher auch fortan unter dem Namen Pandita (Gelehrte) Ramabai bekannt geworden. Nach dem frühen Tode ihres Mannes galt ihre ganze aufopferungsvolle Arbeit vor allem der Befreiung der indischen Frauenwelt von der unwürdigen Stellung, in der sie sich damals befand. In diesem Kampf wurde ihr zunächst rein verstandesmäßig, und zwar beim Studium des Neuen Testaments, klar, daß sie aus eigener Kraft nichts erreichen würde.
In England kam sie zum ersten Mal mit lebendigen Christen in Verbindung: sie ließ sich taufen und wurde nun erst so recht eine Segensträgerin für Indiens Frauen. Sarada Sadan und Mukti, zwei große Hilfswerke für Witwen und junge Mädchen, die sie ins Leben rief, sind Marksteine ihres Wirkens, bei dem ihr ihre gleichgesinnte Tochter hilfreich und tatkräftig zur Seite stand. Viel zu früh wurden Mutter und Tochter kurz hintereinander in die Ewigkeit abberufen; aber die Frucht ihrer Arbeit ist geblieben.
gebraucht
Bestell-Nr.: BN5618
Autor/in: Hans Bruns
Format: 11 x 18 cm
Seiten: 72
Gewicht: 75 g
Verlag: Brunnen-Verlag
Erschienen: 1961
Einband: Taschenbuch
Sprache: Deutsch
Zustand: leichte Gebrauchsspuren
Leseprobe:
INHALTSVERZEICHNIS In der Wildnis geboren 5 Jahrelang auf Wanderschaft . 7 Schweres Erleben und innere Kämpfe 17 Die Pandita 23 Taufe und Entscheidung für Christus 29 Weiterer Kampf für Indiens Frauen 36 Sarada Sadan, das Hilfswerk für Hinduwitwen ... 40 Der volle Durchbruch zu echtem Glaubensleben ... 46 Mukti, ein Werk des Gehorsams und des Glaubens . 55 Erweckung in Mukti 61 Die letjte große Arbeit 70 Heimgang von Tochter und Mutter 73 Worte Ramabais 75
In der Wildnis geboren Drei überraschende Tatsachen stehen über dem Leben schon der jungen Ramabai: sie hatte ungewöhnliche Eltern, sie wurde in der Wildnis geboren, und sie mußte schon mit sechs Monaten eine jahrelange Pilgerfahrt durch Indien antreten. Unser aller Leben wird viel mehr, als wir ahnen, durch Erbanlagen und die ersten Eindrücke in den Kinderjahren geprägt. Darum sind diese drei Tatsachen auch für Ramabais Leben sehr entscheidend gewesen. Von den Eltern wissen wir nicht viel; aber was wir wissen, ist auffallend und bedeutsam: der Vater war ein kluger und charaktervoller Mann, der das, was er als richtig erkannt hatte, durchsetzte und durch Taten in seinem Leben auszuleben versuchte; die Mutter war viel jünger als der Vater (der Unterschied in ihren Lebensjahren betrug 35 Jahre, der Mann hatte nach dem Verlust seiner ersten Frau die Mutter Ramabais geheiratet, als sie noch fast Kind war). Je länger um so mehr aber wurde sie ihrem Mann eine rechte Gehilfin und war ihm später in allem durchaus gewachsen. — Beide Eltern waren Anhänger einer der größten Reformbewegungen der hin-duistischen Religion, einer Bhakti-Sekte, die in ihrer ganzen Grundhaltung — um einen Vergleich zu gebrauchen — etwa dem Pietismus innerhalb der evangelischen Kirche ähnlich ist, nur daß der Zug tatkräftiger Frömmigkeit bei den Bhakti noch größer ist als weithin in pietistischen Kreisen. Ramabais Vater war ein Gelehrter, der sich vor allem dem Studium des Sanskrit hingegeben hatte und es in der Beherrschung dieser schweren Sprache zu einer großen Meisterschaft brachte. Weil die Gelehrten in Indien von den Fürsten des Landes allermeist große und reiche Gaben zu bekommen pflegten, konnte sich Anant .Sastri (so war sein eigentlicher Name) ganz dem Studium der Sanskritweisheit hingeben und damit wieder andere, die ihn darum baten, in dieser Philosophie unterrichten. Er hat viele Reisen unternommen, oft mit großem Gefolge und in luxuriöser Weise; auf einer dieser Reisen ist ihm seine erste Frau gestorben, und bei dem Besuch eines der Hinduheiligtümer hat er dann seine zweite Frau kennengelernt. Weil er aber ein sehr selbständiger Denker war und vielfach eigene Wege ging, entschloß er sich im Jahre 1846, ganz in die Einsamkeit der Wälder zu ziehen, um dort, getrennt von der Zivilisation der Menschen, ein Leben der Zurückgezogenheit zu führen. Er begab sich darum mit seiner Frau an eine malerische Stelle des Gangamula-Waldes, wo drei Flüsse entsprangen, und dort in der Einsamkeit und Schönheit der Natur, wo menschliche Vorurteile ihm nichts anhaben konnten, errichtete sich der tapfere Mann eine Wohnstätte. In einer Erzählung, die Ramabai von ihrer Mutter gehört hat, beschreibt sie, wie Anant Sastri und seine junge Frau ihre erste Nacht im Dschungel verbrachten: sie hatten nicht einmal eine Hütte aus Zweigen als Schutj, und das plö^liche Gebrüll eines nicht weit entfernten Tigers erfüllte ihr Herz mit Schrecken. In dieser Einsamkeit haben sie zwölfeinhalb Jahre gelebt und wurden ihnen sechs Kinder geschenkt, von denen drei früh starben. Aber sie blieben als Familie nicht allein; durch die große Gelehrsamkeit Anant Sastris wurden immer mehr Schüler angezogen, und so entstand dort in der Wildnis eine Art Gelehrtenschule unter der Leitung der Eltern Ramabais. Der Vater unterrichtete, und die Mutter stand ihm in der Versorgung der Schüler und der Beaufsichtigung der Landwirtschaft in umsichtiger Weise bei. Dabei aber nahm sie auch an dem Unterricht in der Schule teil; sie hatte in zähem Fleiß das Sanskritstudium so weit durchgeführt, daß sie zulegt sogar bei Abwesenheit des Mannes die Arbeiten der Schüler überwachen konnte. In dieser Urwaldwildnis wurde Ramabai als jüngstes der Kinder im April 1858 geboren. Sie hat bewußt nichts mehr von allem, was ihre Eltern dort erlebten und 'durchmachten, in sich aufgenommen, aber sie bekam ein gutes Erbteil von ihren Eltern mit, das sich später vielfach als ein Segen erweisen sollte: derselbe Wagemut, dieselbe Tatkraft, die wir bei dem Vater sehen können, waren auch später Ramabai eigen, und von der Mutter hat sie die Zähigkeit und Gabe zur Organisation geerbt; vor allem aber war es ihr gleichsam mit der Muttermilch mitgegeben worden, immer den Weg der Überzeugung und Freiheit zu gehen, selbst wenn es schwere Opfer kosten und viel Mühe mit sich bringen sollte.
Jahrelang auf Wanderschaft Wie selbstlos oder weltfremd der Vater war, zeigt die Tatsache, daß er in keiner Weise für Zeiten der Krankheiten und des Alters vorgesorgt hatte. Er hatte mit seinen Schülern der Wissenschaft und der Religion gelebt und dankbar die Gaben der Gönner hingenommen. Als dann vor allem Betrügereien von Verwandten ihn schwer schädigten, mußte er plötjlich erleben, daß er vor einem Nichts stand; das Geld, das er in reichem Maße besessen und vielfach auch wieder verschenkt hatte, war unerwartet zu Ende, und er war ein armer Mann. Was tat er? Er wurde seinem Beruf nicht untreu, sondern ging mit seiner Frau und den drei Kindern auf die Wanderschaft und ist wie seine Frau und die andern Kinder iden Strapazen dieses Lebens erlegen. — Und was tat er auf diesen vielen Reisen? Seine Tochter hat den Beruf ihres Vaters später mit schlichten Worten geschildert, so daß wir ein anschauliches Bild von seinem Dienst und den mannigfachen Mühen der Reisen bekommen: „Die Purana-Vorleser — Puranika genannt — sind volkstümliche, öffentliche Prediger der Hindu. Sie sitjen auf irgendeinem öffentlichen Platj, unter Bäumen, in Tempelvorhöfen oder am Ufer eines Flusses oder Teiches, ihre geschriebenen Bücher in den Händen, und lesen mit lauter Stimme und starker Betonung aus den Purana vor, so daß es die Vorübergehenden und Tempelbesucher hören müssen. Da der Text Sanskrit ist, so wird er von den Zuhörern nicht verstanden, und die Puranika sind nicht verpflichtet, ihn zu erklären: sie können das halten, wie sie wollen. Wenn der Puranika ihn überseht und erläutert, gibt er sich die größte Mühe, seinen Vortrag so populär wie möglich zu halten durch Hinzufügen übertriebener oder erfundener Geschichten. Das gilt nicht als Sünde, weil es geschieht, um die Aufmerksamkeit des gewöhnlichen Volkes zu erregen, damit sie den heiligen Klang, die Namen der Götter und ihre Taten hören und dadurch geläutert werden. Um den vor- lesenden Puranika versammeln sich immer Zuhörer für kürzere oder längere Zeit; häufig geben sie ihm Geschenke; aber der Puranika fährt fort vorzulesen und kümmert sich nicht darum, was die Zuhörer tun oder sagen. Sie kommen und gehen nach Belieben. Wenn Strenggläubige kommen, so werfen sie sich vor dem Puranika nieder, beten ihn und sein Buch an und bringen ihm Blumen, Früchte, Süßigkeiten, Gewänder, Geld und andere Gaben. Man glaubt, daß solches Tun für den Geber von größtem Nutzen ist, und der Empfänger tut nichts Unrechtes dabei. Wenn ein Zuhörer dem Puranika keine Geschenke macht, so verliert er jeden Anspruch auf den Lohn, den er vielleicht durch frühere gute Werke verdient hätte. Die Geschenke brauchen nicht kostbar zu sein: eine Handvoll Reis oder andere Körner, eine Kupfermünze oder auch nur ein paar Kaurimuscfaeln, die zum Wechseln der Kupfermünze dienen, werden gern in Empfang genommen. Eine Blume, ja selbst nur ein Blatt einer Blume oder eines geheiligten Baumes ist den Göttern willkommen. Da aber der Opfernde wohl weiß, daß sein dereinstiger Lohn der Größe seiner Gabe entsprechen wird, so bemüht er sich, so freigebig wie möglich zu sein, und daher bekommt der Puranika alles, was er zum Leben braucht, durch Vorlesen der Purana an öffentlichen Plänen. Meine Eltern übten diesen Beruf aus. Wir alle lasen die Purana öffentlich vor, aber wir übersetzten sie nicht und erklärten sie auch nicht in der Landessprache. Das bloße Lesen und Anhören der heiligen Schriften gilt schon als großes Verdienst. Niemals brauchten wir zu betteln oder unsern Lebensunterhalt durch andere Arbeit zu verdienen; wir bekamen Geld
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