Als junger Mann von Anfang zwanzig mit einer missionarischen Vision wünschte ich mir aufrichtig alle Gaben, die der Herr mir schenken würde, um Ihm auf dem Missionsfeld bestmöglich dienen zu können.
Angefangen hatte alles eines Nachts kurz vor meinem 19. Geburtstag im Hauptquartier des „Worldwide Evangelisation Crusade“
(Weltweiter Evangelisationskreuzzug) in Upper Norwood in London. Eine Gruppe junger Missionarsanwärter hatte sich zum Gebet
versammelt, um für eine „Ausgießung“ des Heiligen Geistes zu beten; ich selbst war als Gast mit dabei. Weit nach Mitternacht
und nach unablässigem Flehen sprang einer nach dem anderen in Ekstase auf und pries den Herrn dafür, dass er „den Segen“
empfangen habe. Ich selbst fühlte mich wie vor einer Wand, die mir undurchdringlich erschien. Es war wie eine Art Schranke vor
meiner Seele! Doch dann kamen fünf der Anwesenden zu mir, stellten sich um mich herum, legten mir die Hände auf und beteten,
dass ich „den Segen“ empfangen möge. Da plötzlich löste sich in mir etwas, und es war, als ob sich die Schleusentore des
Himmels über mir öffneten und mich verschlängen. Taumelnde Freude und Ekstase – aber kein Reden in Sprachen!
Dann, einige Jahre später – nachdem ich inzwischen begierig jede Menge charismatischer Literatur gelesen und studiert hatte –,
war ich wieder im WEC-Hauptquartier, diesmal selbst als Anwärter, in der Hoffnung, bald auf das Missionsfeld gehen zu können.
Wenn es eine Gabe der Heilungen gab, wollte ich sie haben. Wenn es eine Gabe der Wunderwirkungen gab, wollte ich auch
diese. Und wenn es eine Gabe der Sprachen gab, dann wollte ich sie, um dem Herrn auf dem Missionsfeld noch besser dienen zu
können. Ich war völlig offen für alle geistlichen Phänomene. Eines Nachts, als ich zusammen mit einem Anwärterkameraden,
der auch ein „glühender“ Pfingstler war, das Schlafzimmer betrat, passierte es. Als er die Tür öffnete, hörte er nicht auf, immer wieder „Jesus, Jesus, Jesus“ zu rufen, dann fiel er zu Boden und begann in „Sprachen“ zu reden.
Auch ich fing an, mich ständig zu wiederholen: „Halleluja, Halleluja, Halleluja“, und fiel zu Boden, ebenfalls in „Sprachen“ redend. Wenigstens dachte ich das. Ich erinnere mich daran, als ob es gestern gewesen wäre. Am Anfang war da ein überwältigendes körperliches Gefühl in der Magengrube, das sich nach und nach zur Ekstase steigerte, bis ich am Ende in diese „Sprache“ ausbrach! Ich war wie außerhalb von mir – ich sah mich selbst aus der Entfernung und hörte mich mit hoher Stimme sprechen und völlig unverständliche Laute von mir geben. Das ganze Gefühl aber war unbeschreiblich, ekstatisch, himmlisch und weit herrlicher als alles, was ich jemals erlebt hatte – wie ich damals dachte. Am nächsten Morgen fragte mich ein Bruder aus dem Nachbarzimmer, was denn vorige Nacht in unserem Zimmer los gewesen sei. Ich erzählte ihm, was geschehen war, woraufhin er mich ernstlich warnte. Ich solle mich vergewissern, ob das wirklich vom Herrn gewesen sei, und solle „die Geister prüfen, ob sie aus Gott sind“. Niemals dachte ich an die Möglichkeit einer unechten Erfahrung! Natürlich nahm mein Interesse an der Beschäftigung mit den Gaben des Heiligen Geistes noch weiter zu. Ich las dann ein Buch des walisischen Erweckungspredigers Evan Roberts mit dem Titel The war on the saints (Der Krieg um die Heiligen). Dieses Buch öffnete mir die Augen dafür, dass ich mich hüten musste zu denken, alles Übernatürliche komme automatisch von Gott.
Seitdem habe ich unter den Arabern im Nahen Osten und bei vielen Gelegenheiten auch in Europa über dieses Thema Vorträge
gehalten. Ich habe seit langer Zeit den Wunsch, ein kurzes Buch darüber zu schreiben. Nach 40 Jahren Erfahrung im Dienst für
den Herrn und intensivem Bibelstudium, immer mit dem Ziel, noch klarer zu verstehen, was der Geist über dieses Thema sagt,
lege ich nun allen interessierten Bibellesern dieses Buch vor. Ipswich 1996 Cor Bruins
1. Einleitung
Der Zustand der Gemeinde in Korinth – eine Hintergrundanalyse Die verdorbene Gesellschaft von Korinth
Während Paulus ungefähr 18 Monate lang in Korinth gearbeitet hatte, war in dieser ausgesprochen verdorbenen Stadt eine Gemeinde
entstanden. Aus dem Namen der Stadt Korinth wurde damals ein Verb abgeleitet, „korinthisieren“, was offenbar so viel
bedeutete wie „mit einer Prostituierten ins Bett gehen“ – freie Liebe. Die Korinther versanken sozusagen in Unmoral. Obwohl viele
an den Herrn Jesus Christus gläubig geworden waren, hatten doch einige von ihnen die fleischlichen Gewohnheiten der Ungläubigen
nicht nur beibehalten, sondern bekannten sich sogar lauthals dazu. Und derart offensichtliches Fehlverhalten blieb in der Gemeinde ungerichtet.
Eine Brutstätte für das Okkulte Ein weiteres Kennzeichen waren Personenkulte: Sie verehrten Philosophen und stellten oft Vergleiche an, welcher Philosoph wohl vorzüglicher sei als der andere. Ihre Kultur war von Dingen geprägt, die man als „Mysterienreligion“ bezeichnen könnte. In dieser heidnischen Religion gab es charakteristische Rituale und Zeremonien, bei denen man sich in Raserei und Ekstase, in eine schwärmerische und übersteigerte Begeisterung versetzte. Nachdem sie nun gläubig geworden waren, hatten sie zugelassen, dass diese „alten Gewohnheiten“ in ihrer Mitte wieder hochgekommen waren. Eine dieser heidnischen Praktiken war das ekstatische Reden, ein offensichtlich „übernatürliches Phänomen“. Es ist heute noch in Kulten wie dem Animismus, unter den Derwischen, im Islam und unter Spiritisten bekannt. In diesen modernen Kulten gibt es sowohl das „automatische Schreiben“ unter
dem Einfluss von Dämonen als auch „automatisches ekstatisches Reden in einer fremden Sprache“, ebenfalls unter dem Einfluss von Dämonen.
All diese Phänomene sind heute in der okkulten Welt verbreitet. Damals waren es wohlbekannte Merkmale der Kulte in Korinth.
Spaltungen unter ihnen Die Korinther hatten zugelassen, dass viele dieser bösen und sündigen Praktiken aus ihrer Vergangenheit, aus der verdorbenen Welt um sie herum, nun auch in der Gemeinde ausgeübt wurden. Das war der Grund, weshalb es zu Spaltungen in ihrer Mitte gekommen war. Viele böse Praktiken hatten sich in die Gemeinde eingeschlichen. Daraus waren gewaltige Probleme entstanden, und die Christen waren in Verlegenheit, wie sie damit umgehen und wie sie diese Probleme lösen sollten. Sie hatten daraufhin an den Apostel Paulus geschrieben, um ihn über die Situation zu unterrichten, obwohl Paulus durch die Hausgenossen der Chloe wohl schon von den Schwierigkeiten erfahren hatte (1,11). Hier ein kurzer Überblick über einige der Probleme: Spaltungen (1,10.11), Personenkult, wobei ein Lehrer dem anderen vorgezogen wurde (1,12–17), weltliche Weisheit (1,18–25), fleischliches
Verhalten (3,1–9), Ablehnung apostolischer Autorität (4,1–21), ungerichtete Hurerei und Inzest (5,1–8), weltliche Verbindungen
(5,9–13), Rechtsstreit unter Gläubigen (6,1–8), eheliche Konflikte (7,1–40), die Frage der Ehelosigkeit (Kap. 7), Missbrauch der
christlichen Freiheit (8,1–13), Götzendienst (10,19–22), Feminismus und die Weigerung von Frauen, sich der göttlichen Ordnung
in der Gemeinde zu unterwerfen (11,2–16), Unverständnis über die verschiedenen Rollen von Mann und Frau in der Gemeinde
(11,2–16), Missstände beim Mahl des Herrn (11,17–34), eigensinniger Missbrauch der geistlichen Gaben (12,1 – 14,40) usw.
Verhalten, Ordnung und Einheit in der Gemeinde Die Kapitel 11 bis 14 beschäftigen sich nicht mehr mit Fragen, die das Zeugnis oder das Verhalten der Gläubigen vor der Welt betreffen, sondern vielmehr mit dem Verhalten, der Ordnung und der Einheit, die innerhalb der Gemeinde als dem Leib Christi sichtbar werden sollen. Dazu gehören die Fragen der Korinther über die Kopfbedeckung der Frauen, die Ordnung am Tisch des Herrn und die geistlichen Gaben ganz allgemein. Vor dem geschilderten Hintergrund der in Korinth vorherrschenden Zustände möchte ich nun mit der Hilfe des Heiligen Geistes das 14. Kapitel des 1. Korintherbriefes kommentieren und auslegen. Nachdem Paulus aus verschiedenen Quellen Informationen über die chaotische Situation in Korinth erhalten hat, beginnt er das Thema der Kapitel 12 bis 14 mit den Worten: „Was aber die geistlichen Gaben betrifft, Brüder, so will ich nicht, dass ihr unwissend seid“ (12,1).
Paulus ist es wichtig, dass seine Brüder und Schwestern in Christus ein echtes Verständnis dafür bekommen, wie die Glieder des Leibes Christi in gegenseitiger Wechselwirkung miteinander funktionieren. Er will ihnen bewusst machen, wie Satan versucht, eine verfälschte Nachahmung davon zu erzeugen; deshalb sollen sie nicht unwissend sein. Aber ihr Verständnis darf sich nicht einfach auf Erfahrungen gründen. Das nötige Unterscheidungsvermögen fehlte ihnen noch, das hatten sie dem Apostel gegenüber offen zugegeben, daher ja ihre Fragen. Die geistlichen Fähigkeiten bzw. geistlichen Gaben, die ihnen der auferstandene und aufgefahrene Herr Jesus Christus gegeben hatte, um als Glieder seines Leibes richtig zu funktionieren, wurden nicht in der von Gott beabsichtigten Weise eingesetzt.
Auf gottgemäße Weise zum göttlichen Ziel Der Apostel unterbricht seine Ermutigung, „nach den größeren Gnadengaben zu eifern“ (12,31), um den Korinthern erst einmal grundlegende Gedanken über den Gebrauch und die Entwicklung dieser Gaben vorzustellen und ihnen einen „weit vortrefflicheren Weg“ zu zeigen, diese zu gebrauchen. Dieser „weit vortrefflichere Weg“, seine Gabe zur Ehre Gottes und zur Auferbauung des Leibes Christi einzusetzen, ist „der Weg der Liebe“. Paulus beschreibt ihn in Kapitel 13. Paulus ist sich zutiefst der unbedingten Notwendigkeit bewusst, dass es nur die Liebe sein darf, die alle Handlungen der Gläubigen motiviert. Deshalb findet er kaum Worte, die seinen Gedanken angemessen Ausdruck geben, damit es sich bei seinen Hörern ganz tief einprägt, dass sie fortwährend die Liebe als Triebkraft nötig haben. Er beginnt daher das 13. Kapitel mit einer übertriebenen Aussage, einer so genannten „Hyperbel“ – das ist laut dem Handbuch literarischer Fachbegriffe eine „Übertreibung als Stilmittel mit der Absicht, Gefühlsintensität maximal wiederzugeben“.
Manche würden Vers 1 auch als hypothetische Aussage bezeichnen, worunter man laut Begriffslexikon eine „Annahme“
versteht, „die den Ausgangspunkt für eine Argumentation bildet, ohne dass für diese Annahme der Anspruch besteht, dass
sie wahr sei“. Der Leser möge diese Begriffe selbst einmal nachschlagen. Stellen wir die Frage, ob es „Sprachen der Engel“ wirklich gibt, für einen Moment zurück. (Wir kommen später noch darauf zurück.)
Der Punkt, den der Apostel hier deutlich machen will, ist die unbedingte Notwendigkeit der Liebe, damit die Gaben sich
richtig entfalten können, damit sie wirklich den Herrn Jesus verherrlichen und dem Leib Christi zum Wachstum verhelfen. Hinter
dem richtigen Gebrauch der Gaben muss diese agape-Liebe als beständig treibende Kraft stehen. Jede selbstsüchtige Handlung
aus Eigennutz oder zur Befriedigung des eigenen Ichs ist zu verurteilen (die Liebe „sucht nicht das Ihre“, V. 5). Der Besitzer einer
Gabe hat sich nicht zu rühmen (sie „tut nicht groß“, V. 4). Die Korinther müssen dieses wunderbare Kapitel als Tadel aufgefasst
haben, weil sie sich ja gerade sehr stark ihrer auffälligen Gabe des Redens in Sprachen rühmten. Diese so ekstatische und übernatürliche Gabe gebrauchten sie für eigennützige Zwecke, nämlich ohne Auslegung für andere. Dadurch wurde die Gabe zu einer Art „Privatkult“: Sie redeten nur zu Gott (14,2), denn Er war der Einzige, der es verstehen konnte und keinen Ausleger brauchte. Sie waren völlig zufrieden damit, sich selbst zu erbauen (14,4) anstatt die Gemeinde! Genau das ist es, was Paulus mit Missbrauch einer Gabe meint.
Kein Wunder also, dass Paulus in Kapitel 14 versucht, den Korinthern aufzuzeigen, in was für einer egoistischen Weise sie die Gabe der Sprachen missbrauchten. Wiederholt spricht er sie dabei mit scharfer Ironie an (V. 2.4). Andererseits zeigt Paulus ihnen das grundlegende Prinzip, das aller echten geistlichen Erbauung zugrunde liegt (das griechische Wort oikodomein heißt auch „ein Haus bauen“ – Erbauung hat also immer den Aufbau des geistlichen Hauses Gottes im Auge und nicht die eigene persönliche Selbsterbauung). Paulus legt dar, wie die geistlichen Gaben zum größtmöglichen Nutzen für den Aufbau der Gemeinde eingesetzt werden sollen.
Die goldene Regel: „Denk an andere“ Der Schlüsselvers ist Vers 6: „Was werde ich euch nützen?“ Paulus erwähnt im 14. Kapitel mindestens 22-mal, dass die Gemeinde vom richtigen Gebrauch der Gaben einen Nutzen haben und dadurch aufgebaut werden muss, und das gilt für jede Gabe, sei es nun die Gabe der Weissagung oder die Gabe der Sprachen. Schauen wir uns einige dieser Stellen an. In der Erziehung ist es eine allgemein anerkannte Tatsache, dass man nichts lernen kann, wenn man nichts versteht; man kann nicht getröstet werden (V. 3), man kann nicht erbaut werden (V. 3), man kann nicht ermahnt werden (V. 3), man kann keinen Nutzen haben (V. 6), man kann nichts erkennen und nicht an Erkenntnis zunehmen (V. 6.7.9), man kann die Bedeutung von etwas nicht einschätzen
(V. 10.11), es sei denn, dass man das Gesagte versteht.
Erbauung setzt Verständnis voraus Jemand, der die Gabe der Sprachen hat, soll in der Gemeinde schweigen, wenn kein Ausleger da ist, der der Gemeinde helfen kann, das Gesagte zu verstehen (V. 28). Das zeigt: Alles, was in der Gemeinde geäußert wird, muss man verstehen können – das ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, die Gemeinde aufzubauen und ihr nützlich zu sein. Dasselbe gilt übrigens auch für den Besitzer der Sprachengabe selbst. Auch er kann sich nicht selbst auferbauen (V. 4), wenn er das, was er ausspricht, nicht versteht!...
ZUSTAND DER GEMEINDE IN KORINTH: HINTERGRUNDANALYSE
- verdorbene Gesellschaft
- Brutstätte für das Okkulte
- Spaltungen
- Verhalten, Ordnung, Einheit
- auf gottgemäße Weise zum göttlichen Ziel
- goldene Regel: denk an andere
- Erbauung setzt Verständnis voraus
ERBAUUNG DER GEMEINDE
- Gegnesätze
- wozu Sprachengabe?
- Verse aus dem Zusammenhang gerissen
- Gegensätze herausgestellt
- mit eigenen Worten umschreiben
- Regel der ersten Erwähnung
- Geheimnisse
- mit Verstand am Haus Gottes bauen
- "gutes und glückliches Gefühl"
- lieber weissagen
- auslegen oder übersetzen
VERSTÄNDLICH REDEN IN DER GEMEINDE
- Entstehungszeit des 1.Korintherbriefs
- der Kanon
- Ziel aller Aussprüche
- Apostel waren einmalig, gibt es heute nicht mehr
- Weissagung heute noch wirksam?
- in Kriegszeiten
- unter Glaubensgefährten
VERSTÄNDLICH REDEN BEIM BETEN UND LOBPREISEN
- eifere darum, ein Segen für andere zu sein
- bete um eine Auslegung
- Glieder des Leibes aufeinander sind angewiesen
- nicht ohne besondere Wirksamkeit des Heiligen Geistes
- erneut eine hypothetische Aussage
- was bedeutet Beten in einer Sprache?
- beten ist immer verständig
- wie steht es mit Singen in Sprachen?
- sind wir wirklich mit der Bibel vertraut?
VERSTÄNDLICH REDEN BEIM ÖFFENTLICHEN LEHREN
- keine 2 Arten von Sprachen in Apostelgeschichte
VERSTÄNDLICH REDEN BEIM ÖFFENTLICHEN PREDIGEN
- ein Zeichen als Mitel der Verständigung
- Reaktion als Mittel der Verständigung
VERSTÄNDLICH REDEN IN ZUSAMMENKÜNFTEN DER GEMEINDE
- Vorschriften: Gebrauch der Sprachen
- Vorschriften: Gabe der Weissagung
- Vorschriften: Verhalten der Frauen
- Autorität der auserwählten Apostel Christi
- Paulus gibt deutliche Warnung
- seid ausgewogen in euren Beurteilungen
ISBN: 9783935955249 (früher: 3935955243)Format: 14 x 21,5 cm Seiten: 106 Gewicht: 175 g Verlag: Daniel-Verlag Erschienen: 2005 Einband: Taschenbuch