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Antoine de Saint Exupéry
Nachdem der kleine Prinz lange über den Sand, die Felsen und den Schnee gewandert war, geschah es, dass er endlich eine Straße entdeckte. Und die Straßen führen alle zu den Menschen.
„Guten Tag", sagte er.
Da war ein blühender Rosengarten. „Guten Tag", sagten die Rosen.
Der kleine Prinz sah sie an. Sie glichen alle seiner Blume. „Wer seid ihr?", fragte er sie höchst erstaunt. „Wir sind Rosen", sagten die Rosen. „Ach!", sagte der kleine Prinz ...
Und er fühlte sich sehr unglücklich. Seine Blume hatte ihm erzählt, dass sie auf der ganzen Welt einzig in ihrer Art sei. Und siehe! Da waren fünftausend davon, alle gleich, in einem einzigen Garten!
Sie wäre sehr böse, wenn sie das sähe, sagte er sich ... sie würde fürchterlich husten und so tun, als stürbe sie, um der Lächerlichkeit zu entgehen. Und ich müsste wohl so tun, als pflegte ich sie, denn sonst ließe sie sich wirklich sterben, um auch mich zu beschämen ...
Dann sagte er sich noch: Ich glaubte, ich sei reich durch eine einzigartige Blume, und ich besitze nur eine gewöhnliche Rose. Sie und meine drei Vulkane, die mir bis ans Knie reichen und von denen einer vielleicht für immer erloschen ist, das macht aus mir keinen sehr großen Prinzen ... Und er warf sich ins Gras und weinte.
In diesem Augenblick erschien der Fuchs: „Guten Tag", sagte der Fuchs.
„Guten Tag", antwortete höflich der kleine Prinz, der sich umdrehte, aber nichts sah.
„Ich bin da", sagte die Stimme, „unter dem Apfelbaum ..."
„Wer bist du?", sagte der kleine Prinz. „Du bist sehr hübsch ..."
„Ich bin ein Fuchs", sagte der Fuchs.
„Komm und spiel mit mir", schlug ihm der kleine Prinz vor. „Ich bin so traurig ..."
„Ich kann nicht mit dir spielen", sagte der Fuchs. „Ich bin noch nicht gezähmt!"
„Ah, Verzeihung!", sagte der kleine Prinz.
Aber nach einiger Überlegung fügte er hinzu: „Was bedeutet das: ,zähmen`?"
„Du bist nicht von hier", sagte der Fuchs, „was suchst
du? <`
„Ich suche die Menschen", sagte der kleine Prinz. „Was bedeutet ,zähmen`?"
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig. Sie ziehen auch Hühner auf. Das ist ihr einziges Interesse. Du suchst Hühner?"
„Nein", sagte der kleine Prinz, „ich suche Freunde. Was heißt ,zähmen`?
„Das ist eine in Vergessenheit geratene Sache", sagte der Fuchs. „Es bedeutet: sich vertraut machen'." „Vertraut machen?"
„Gewiss", sagte der Fuchs. „Du bist für mich noch nichts als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebenso wenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt ..."
„Ich beginne zu verstehen", sagte der kleine Prinz. „Es gibt eine Blume ... ich glaube, sie hat mich gezähmt ..."
„Das ist möglich", sagte der Fuchs. „Man trifft auf der Erde alle möglichen Dinge ..."
„Oh, das ist nicht auf der Erde", sagte der kleine Prinz.
Der Fuchs schien sehr aufgeregt:
„Auf einem anderen Planeten?"
„ja. "
„Gibt es Jäger auf diesem Planeten?"
„Nein."
„Das ist interessant. Und Hühner?"
„Nein."
„Nichts ist vollkommen!", seufzte der Fuchs.
Aber der Fuchs kam auf seinen Gedanken zurück:
„Mein Leben ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen jagen mich. Alle Hühner gleichen einander, und alle Menschen gleichen einander. Ich langweile mich also ein wenig. Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben wie durchsonnt sein. Ich werde den Klang deines Schrittes kennen, der sich von allen andern unterscheidet. Die anderen Schritte jagen mich unter die Erde. Der deine wird mich wie Musik aus dem Bau locken. Und dann schau! Du siehst da drüben die Weizenfelder? Ich esse kein Brot. Für mich ist der Weizen zwecklos. Die Weizenfelder erinnern mich an nichts. Und das ist traurig. Aber du hast weizenblondes Haar. Oh, es wird wunderbar sein, wenn du mich einmal gezähmt hast! Das Gold der Weizenfelder wird mich an dich erinnern. Und ich werde das Rauschen des Windes im Getreide lieb gewinnen."
Der Fuchs verstummte und schaute den Prinzen lange an. „Bitte ... zähme mich!", sagte er.
„Ich möchte wohl", antwortete der kleine Prinz, „aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muss Freunde finden und viele Dinge kennen lernen."
Inhalt
Antoine de Saint-Exupéry Der Kleine Prinz
Jutta Schwarz Mein Freund, der Baum
Matthias Claudius An einem Maimorgen
Axel Hambraeus Der geheimnisvolle Briefschreiber
Lindolfo Weingärtner Vater Aleksej
Julie Schlosser Kervins Schwalben
Rudolf Otto Wiemer An der Tankstelle
Ursula Koch Sonntägliche Rede an ein Kaninchen
Manfred Hausmann Martin und die Spinne
Christian Ryke Wem Gott will rechte Gunst erweisen
Psalm 104 Freude an Gottes Schöpfung
Ingeborg Reinhold Freude wartet überall
Laura Reedijk Doppelter Segen
Hanna Ahrens Der untere Rand der Sonne 6z
Quellenangaben
ISBN: 9783765537004
Format: 11 x 18 cm
Seiten: 64
Gewicht: 84 g
Verlag: Brunnen-Verlag
Erschienen: 2002
Einband: Taschenbuch
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