Der taugt zu nichts, Großmutter verbannte den Jungen in ihr Schlafzimmer und machte die Tür hinter sich zu. Sechs Jahre war er alt, als die Großmutter und der Vater ihn nach Bethel brachten. Damals konnte er bei voll ausgebildeter Intelligenz noch kein einziges Wort sprechen. Weil ihm die Sonne und Kalzium gefehlt hatten, war er vom Kopf bis zu den Füßen eine Mißgestalt.
"Ein Nichts bist du, nichts weiter als ein Nichts!" hatte die Großmutter zu ihm gesagt. In Haus Patmos war man anderer Meinung. Für Pastor Kuhlo, Schwester Mathilde, den blinden Willi, die Bodelschwinghs - für die Leute von Bethel war er Günther, zwar hilfsbedürftig, total angewiesen auf andere, doch ein Mensch, dessen Geist Flügel bekommen hatte, ein Nimmersatt im Unterricht, ein Freund, ein Christ.
Als das Wort Euthanasie in Bethel geflüstert wurde und die Ärztekommission schon in der Tür stand, hatte Günther das Schlimmste überstanden: Er wusste wieder, dass nicht gesunde Knochen, ja, nicht einmal gesunder Verstand über den Wert eines Lebens entscheiden, sondern allein der, der es geschaffen hat. So kämpfte er an der Seite Bodelschwinghs für das bedrängte Tal der Liebe. Es sollte kein Tal des Todes werden.
Günther ist keine erdachte Gestalt einer erdachten Geschichte. Er ist heute ein erwachsener Mann, der Edna Hong Auskunft gab.