Format: 14,5 x 20,5 cm
Seiten: 300
Verlag: Brunnen-Verlag
Erschienen: 1969
Einband: Leinen
Schon lange hatte die Dienerschaft den alten Herrn Nikolaus Orlowsky nicht in so guter Laune gesehen wie an dem Tage, da endlich sein Enkel, Adam Orlowsky, heimkehrte. Der alte Herr schritt so rüstig in seinem prächtigen Landgut umher, als ob er um zehn Jahre jünger geworden wäre. Kein Wunder, er hatte lange Jahre allein gelebt.
Nikolaus Orlowsky war als junger Mann nach Ungarn gekommen. Man hatte ihn daheim in Polen in eine regierungsfeindliche Agitation verwickelt, und er wurde gezwungen, seine Heimat, die er bis ins Alter liebte, zu verlassen. Es war sein Glück, dass er rechtzeitig floh, er rettete dadurch sein Vermögen und konnte sich so im Lande seiner Zuflucht, nicht weit von dem Städtchen Podhrad, ankaufen.
Mit Herrn Nikolaus waren seine hübsche Frau und drei herzige Kinder gekommen. Die Kinder waren noch klein und gewöhnten sich leicht in die Fremde und der Vater mit ihnen.
Aber leider konnte Frau Orlowsky sich gar nicht in die neuen Verhältnisse einleben. Sie starb, und nach etlichen Jahren folgte ihr der älteste Sohn Adam, und zwar gerade dann, als er nach einer glücklichen Heirat eigentlich erst zu leben anfing. Er starb aus Kummer über den Verlust seiner geliebten Frau, der die Geburt eines Sohnes das Leben kostete, und ließ Herrn Nikolaus den kleinen Adam zurück.
Ehe aber Orlowsky dieser doppelte Verlust traf, war zwischen ihm und seinem jüngeren Sohn Ferdinand etwas geschehen, was der Welt bis jetzt unerklärlich blieb. Nur soviel wußte man, daß Ferdinand Orlowsky einmal nachts das väterliche Haus verlassen hatte und nie wieder zum Vater zurückgekehrt und jede Spur von ihm verschwunden war. Niemand durfte den Namen dieses Sohnes bei Herrn Nikolaus erwähnen. Da Ferdinand zwei Jahre in der Fremde zugebracht hatte und erst vor kurzem nach Hause gekommen war, nahm man an, dass er dort etwas gegen die Ehre der Orlowskys begangen haben müsse, was ihm der Vater nie verzeihen könnte.
Nach dem Verlust beider Söhne blieb Herrn Orlowsky außer dem Enkel nur ein Kind, das jüngste und liebste, die Freude und der Stolz des Vaterherzens, seine Tochter Natalie.
Das Orlowskysche Rittergut, dem Nikolaus den Namen Orlow gegeben hatte, breitete sich östlich von dem Städtchen Podhrad aus. Die Stadt hatte ihren Namen von der alten Burgruine, die über ihr als ein Denkmal entschwundener Herrlichkeit thronte. Dicht unter der Ruine zog sich die Schloßgasse hin, deren Eckhaus an der Front mit goldenen Lettern die Aufschrift trug „Apotheke...