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Das Wesen des Gewissens - Seine Wirkungsweise - Die Gewissensentscheidung - Das Gewissen des gefallenen Menschen - Wort Gottes und Gewissen - Die Erweckung des Gewissens - Das Gewissen und das alte Ich - Gewissen und Gnade - Glaube und Gewissen - Das Gewissen des neuen Menschen - Wenn das Gewissen krank ist und stirbt - Wachstum und Reife des Gewissens
Dies sind die Themen, die der bekannte Theologe und Seelsorger in diesem Taschenbuch behandelt. Er will den Christen helfen, die moralisch-sittliche Seite ihres Lebens mit dem Glauben in Übereinstimmung zu bringen und »zur Entwicklung eines widerstandsfähigeren und gewissenhafteren Christseins beisteuern«.
Leseprobe:
Das Wesen des Gewissens
»Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben; und sie sollen mein Volk sein, so will ich ihr Gott sein.« (Jer. 31, 33)
Das Gewissen ist das einfachste und eindeutigste Zeichen für die besondere Würde des Menschen. In ihm haben wir das zu sehen, was den Menschen eigentlich erst zum Menschen macht. Mit der Frage nach dem Gewissen rühren wir sozusagen an das Geheimnis des Menschseins überhaupt. Mit seiner Erforschung betreten wir ein ebenso geheimnisvolles wie heiliges Gebiet. Deshalb wollen wir besonnen vorgehen. Wir müssen darauf gefaßt sein, daß wir auf Geheimnisse stoßen, die unserem Denken und mehr noch unserem Reden Schwierigkeiten machen.
Aber zugleich dürfen wir hoffen, Einblick in eines der größten Schöpfungswunder Gottes zu gewinnen. In dem Schriftwort, das diesem Kapitel voransteht, verheißt Gott durch den Mund des alttestamentlichen Propheten, daß er selbst den Menschen das Gewissen ins Herz geben will.
Befragen wir nun die Heilige Schrift, so stellen wir fest, daß im Alten Testament das Wort »Gewissen« sehr selten vorkommt. In der Luther-Bibel finden wir es nur an zwei Stellen: Josua 14,7 erinnert Kaleb daran, daß er nach der Erkundung des gelobten Landes »nach seinem Gewissen« Bericht erstattet habe. Hiob sagt (27, 6): »Mein Gewissen beißt mich nicht« und meint damit, daß er sich im Rückblick auf sein Leben keine Vorwürfe machen muß. Die als »Gewissen« bezeichnete Sache aber kommt auch im Alten Testament weit häufiger vor. Das entsprechende hebräische Wort wird nur meist mit »Herz« übersetzt. So lesen wir 1. Samuel 24, 6 von David, daß »sein Herz schlug«, weil er den Zipfel vom Gewand des Königs Saul abgeschnitten hatte. Neuere Übersetzer sprechen an dieser Stelle von Davids Gewissen. Erst in den sogenannten »Apokryphen« - den zwischen den beiden Testamenten stehenden Büchern, die (nach Luther) »der Heiligen Schrift nicht gleichgehalten und doch nützlich und gut zu lesen sind« - ist wiederholt ausdrücklich vom Gewissen die Rede, so z. B. Weish. 4, 20; 17, 11; Sir. 14, i f.; 19, 8; 20, z3.
Im Sprachgebrauch des Neuen Testaments bevorzugen Paulus und der Verfasser des Hebräerbriefs das Wort »Gewissen«, während Johannes dafür den alttestamentlichen Ausdruck »Herz« beibehält. Hierher gehört das bekannte Wort: »Daran erkennen wir, daß wir aus der Wahrheit sind, und können unser Herz vor ihm damit stillen, daß, wenn uns unser Herz verdammt, Gott größer ist als unser Herz und erkennt alle Dinge« (-I. 1.Joh. 3,19 f.), und Markus 3, 5, wo zweifellos vom Gewissen die Rede ist.
Etymologisch ist das Wort Gewissen in den meisten lebenden Sprachen eine Übersetzung des griechischen Ausdrucks »syneidesis«, lateinisch »conscientia«, und bedeutet soviel wie »Mitwissen«. Darin deutet sich schon an, daß es sich nicht um das Wissen oder das Bewußtsein eines einzelnen handelt, sondern um ein Wissen, das man mit jemand anderm teilt.
Bei allen Völkern, selbst bei den unterentwickeltsten, finden wir die eigentümliche Erscheinung, daß sich der Mensch in seinem Gewissen »zusammen weiß« mit einem übernatürlichen, überirdischen, übermächtigen Willen, der Gehorsam fordert, und zwar rechtmäßig. Diesen Willen, der der Wille Gottes ist, bezeichnet man als das Gesetz; es ist das Sittengesetz, nach dem der Mensch leben soll.
Das Gewissen können wir demnach als das Bewußtsein bezeichnen, in dem der Mensch sich mit dem Sittengesetz (dem Willen Gottes) »zusammen weiß«. Nicht bloß in dem Sinne, daß er nebeneinander von seinem Eigenwillen und vom Willen Gottes Kenntnis hat, vielmehr wird ihm bewußt, wie er sich dem Willen Gottes gegenüber verhält, ob er ihn tut oder nicht. Im Gewissen erkennen wir nicht allein, wie wir sind, sondern auch wie wir sein sollten.
Ein Vergleich mit dem Instinkt des Tieres mag uns helfen, das Wesen des Gewissens noch genauer zu erfassen. Auch der Instinkt des Tieres ist für uns unerklärbar. Er leitet das Tier an, sich so zu verhalten, wie es am besten der Erhaltung der Art und des Lebens dient. Auch warnt er das Tier vor allem, was sein Dasein bedroht.
Unsere Haustiere haben ihre Instinktsicherheit weitgehend eingebüßt durch das Zusammenleben mit Menschen, die für sie sorgen und alle Gefahren von ihnen fernhalten. Aber bei den in Freiheit lebenden Tieren ist der Instinkt stark ausgeprägt. Ihre Fähigkeit, drohende Gefahren zu wittern, können wir nur bewundern. Ein Tier wird sich instinktiv hüten, in der Natur vorkommende Giftstoffe zu sich zu nehmen. Will man es vergiften, so muß man ihm schon auf irgendeine Weise künstliches Gift verabfolgen.
Aber der Instinkt, der sich als durchaus zuverlässig bewährt, ist dennoch nur ein Naturtrieb-- anerschaffen wie alles im Tierleben. Mit Naturnotwendigkeit zwingt er das Tier zu einem bestimmten Verhalten.
Das Gewissen hingegen wirkt nicht triebhaft. Es gibt unmittelbare Kenntnis von einem heiligen, übermenschlichen Gesetz, das sich an unseren bewußten Willen wendet, nicht um uns unter seine Gewalt zu zwingen, sondern damit wir uns frei dafür entscheiden und es zum Gesetz unseres Handelns machen.
Im Gewissen wird der Mensch sich seines Menschseins eigentlich erst bewußt. Gerade im Gewissen spürt er, daß er nicht wie das Tier dem Gesetz der Natur folgen muß, sondern daß es seine Bestimmung ist, nach dem Gesetz des Geistes zu leben.
Diese Fähigkeit des »Mitwissens« oder „Zusammenwis
sens«, die der Mensch besitzt, ist höchst eigenartig. Man ist
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