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Wie ich Evangelist wurde September 1959, als ich auf dem Weg zum CVJM an der Alster war. Ich benutzte die U-Bahn und stieg am Hauptbahnhof aus. Es war Sonntag, etwa 18-19 Uhr. Als ich aus dem U-Bahn-Schacht auf die Straße trat, stand vor mir eine große Menge Menschen. Alle überragend stand ein etwas älterer Mann mittendrin und sprach. Seine Sprache war rauh, sehr ungepflegt und voller Fehler. Er sprach von Jesus. Wie ich später erfuhr, handelte es sich um einen zum Glauben gekommenen Juden.
Er war mir schon einmal bei Schwester Berta Kayser begegnet, hatte dort allerdings durch seine etwas theatralische Art mehr Ablehnung als Zustimmung gefunden. Aber egal, wenn nur das Evangelium verkündigt wird, sei es nun in Wahrheit oder zum Vorwand. Es standen viele Menschen dort. Das Gartenbauamt hatte dort ein Rondell errichtet, etwa 50 cm hoch und 2 m breit, wie für diese Arbeit geschaffen. Viele der Zuhörer sahen hier nur eine willkommene Abwechslung, denn die sprachlichen Schnitzer gaben viel Anlaß zum Lachen. Die Leute hatten ihr Gaudi. Zu alledem hatten zwei Betrunkene den Mut gefunden und waren zu ihm hinaufgestiegen. Sie zupften ihn links, stießen ihn rechts, sagten dieses und jenes, aber alles in einer lästerlichen Weise.
Unser Redner war in äußerster Verlegenheit und nicht in der Lage, die beiden abzuschütteln oder in seine Rede einzubauen. Die Leute hatten jedenfalls ihren Spaß. Aber keiner kam auf die Idee, ihm beizustehen. Ich tat nur das Nächstliegende, das Selbstverständliche und stieg aufs Podest und bat die Betrunkenen, sie möchten doch aufhören zu stänkern. Schließlich lud ich sie zu einer Tasse Kaffee ein. Sie kamen mit, und der Mann konnte ungestört weiterpredigen.
Als ich anschließend wieder zu dem Rondell zurückkehrte, hatte der Redner seine Rede beendet, kam auf mich zu und bedankte sich für meine Mithilfe. Er schloß daraus anscheinend, daß ich zur weiteren Mitarbeit bereit war und drückte mir einen Stapel Zeitschriften in die Hand, die ich verteilen sollte. Es war das Blatt »Herold Seines Kommens«. Nun, den Herausgeber kannte ich persönlich aus der Frankfurter Zeit, und so habe ich mich ans Werk gemacht, die Blätter zu verteilen. Dabei sah ich, wie die Leute, die sich vorher um den Redner versammelt hatten, sich nun zu einer Gruppe scharten und miteinander diskutierten.
Eigentlich nur aus Neugierde habe ich mich dazugestellt. Ich wollte hören, was die Leute so über und gegen den Mann sagen würden. Sie stritten sich miteinander, kritisierten, politisierten, und einige gossen ihre Dreckkübel über Kirche, Pastoren, Papst usw. aus. Sie erhitzten sich, und es fehlte auch nicht viel an schlagenden Beweisen mit der Faust. Mittendrin und aus allem heraus hörte ich auch einige nach Christus fragen, nach Glauben und Leben.
Darauf gab keiner eine Antwort. Auch hier tat ich das Nächstliegende, da ich eine Antwort hatte, gab ich sie. Viele andere hätten es besser gekonnt, taten es aber nicht. Die Bibel sagt, daß wir Christen zu jeder Zeit bereit sein sollen zur Verantwortung gegen jeden, der Rechenschaft von uns fordert über die Hoffnung, die in uns ist. Es war nicht viel, was ich sagte, nicht durchdacht und auch nicht vorbereitet. Auf meine Antwort kamen Gegenfragen, Zwischenrufe, Angriffe. Das Gespräch wurde laut und der Kreis der Zuhörer immer größer. So kam es, daß die am Rande Stehenden nicht mehr so recht sehen und hören
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