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intellekte Ärgernisse des Christentums - Gehorsam des Glaubens - in der Stunde der Versuchung - männliches Christentum - das Ärgernis des Kreuzes - aus Gnade - ein zerschlagenes Herz - Religiosität oder Christentum
Immer wieder frage ich mich, worin eigentlich die unerhörte Wirkung von Hallesbys Büchern bestehe. Diese Frage drängt
sich notwendig bei vorliegendem Bande auf, der auf jeden denkenden Menschen eine faszinierende Wirkung ausübt.
Ich möchte es an einem Bild deutlich machen.
Das biblische Evangelium gleicht einer Dynamitpatrone, wie man sie in Steinbrüchen zum Sprengen braucht. Bei einer richtigen
Sprengung sind zwei Dinge wichtig: Das Dynamit darf nicht verdorben oder verfälscht sein – und das Bohrloch muß richtig
angelegt sein.
Das biblische Evangelium ist Dynamit. Es hat heute weithin so wenig Wirkung, weil es vielfach verfälscht, verkürzt
oder verdorben ist. Es ist Hallesbys Stärke, daß er das volle, ganze, unverfälschte Evangelium bietet. Und es gelingt ihm,
dieses Dynamit in das richtige Bohrloch zu legen, das heißt: Er kennt den modernen Menschen, ja mehr, er kennt das
Menschenherz. Und darum redet er nicht am Menschen vorbei.
Sein Wort trifft.
Als kluger Mann hat Hallesby begriffen, daß das Evangelium nicht dazu da ist, den Intellekt zu langweilen. Im Gegenteil!
Er zeigt uns, wie das Evangelium immer neue überwältigende und überraschende Aspekte zeigt.
Als geistlicher Mann aber weiß Hallesby, daß das Evangelium nicht ein System von Gedanken ist. Es stellt vielmehr
den Menschen vor die Wirklichkeit des lebendigen Gottes.
So erlebt also der Leser, daß er es schließlich gar nicht mehr mit Hallesby zu tun hat, sondern daß er sich jetzt Gott stellen
muß. Wilhelm Busch – Essen
Die intellektuellen Ärgernisse des Christentums
Jede Religion enthält ein Element, an dem sich der Intellekt stößt. Denn Religion hat mit dem Absoluten zu tun. Und intellektuelle Schwierigkeiten entstehen da, wo sich Absolutes und Relatives begegnen. Je weniger uns eine Religion mit dem
Absoluten konfrontiert, desto weniger intellektuelle Schwierigkeiten enthält sie. Darum liegen im Christentum mehr solcher Ärgernisse als in irgendeiner anderen Religion, und sie finden sich auf verschiedenen Ebenen.
Als intellektuelle Probleme kommen sie alle aus dem Verstand.
Aber sie tauchen in den verschiedenen Bereichen des menschlichen Geistes auf, etwa im Bereich des Intellekts oder
der Moral oder der Religion. Das Anstößige im intellektuellen Bereich Ein Gegenwartsmensch hat zweifellos den Eindruck, daß man im Christentum nahezu bei jedem Schritt auf Anstößiges trifft. Fangen wir mit dem Gottesglauben an: Gott ist dreieinig.
Hier sind nicht drei verschiedene Offenbarungsformen für den einen Gott gemeint. Keineswegs. Diese drei sind ewig »Ich
bin«; sie sind Personen. Und doch lehrt das Christentum, daß es nicht drei Götter seien, sondern ein Gott.
Christus ist Gott und Mensch. Und wohlgemerkt: nicht abwechselnd, so daß er erst Gott, dann Mensch und dann wieder
Gott ist. Auch das wäre schon schwierig. Aber noch schwieriger ist es, wenn das Christentum erklärt, Christus
ist Gott und Mensch zugleich. Weiter erklärt das Christentum, daß Christus vom Heiligen Geist empfangen und von einer Jungfrau geboren ist. Christus nahm viele Handlungen vor, die mit der Wirklichkeit, wie wir sie sonst kennen, im Widerspruch zu stehen scheinen. So heilte er Kranke und Geisteskranke durch ein Wort. Er erweckte Tote. Er ging auf dem Wasser. Er speiste
Tausende von Menschen mit fünf Broten und zwei kleinen Fischen.
Er war anders als wir alle, nicht nur im Leben, sondern auch im Tode. Sein Leiden und sein Tod waren eine Sühne,
eine stellvertretende Sühne für die Sünden aller Menschen. Und weiter: Der Tod konnte ihn nicht halten. Er stand am dritten Tag körperlich aus dem Grabe auf. Nicht wie Lazarus in Bethanien, der noch einmal sterben mußte. Jesus stand zu einem unvergänglichen Leben auf, über das der Tod keine Macht hatte. Einige Zeit später fuhr er zum Himmel auf.
Endlich können wir das Gebet und die Gebetserhörung nennen.
Christus hat versprochen, das Gebet seiner Freunde nicht nur zu hören, sondern auch zu erhören und so in seiner göttlichen
Weltführung etwas zu ändern, nur weil ein Mensch darum bittet. Zusammenfassend können wir sagen: Das intellektuelle Ärgernis konzentriert sich im Wunder als in seinem Brennpunkt. Das Übernatürliche ist hier das Ärgernis, nicht nur, weil die moderne Wissenschaft das Wunder ziemlich einstimmig leugnet, sondern besonders, weil sie es infolge ihrer Methode ausschließt. Das Wunder steht im Widerspruch zu dem Wirklichkeitsbegriff, mit dem die moderne Wissenschaft rechnet. An
der Geschichtsforschung wird dies besonders klar. Schon in ihrer Methode legt sie fest, daß eine geschichtliche Quelle,
die Berichte über Wunder enthält, allein schon aus diesem Grunde als zweitrangig zu betrachten ist, ganz abgesehen davon,
wie ihr historischer Wert sonst zu beurteilen ist.
Das moralisch Anstößige
Hier ist zunächst der Ursprung der Sünde zu nennen: Das ganze Menschengeschlecht ist sündig, weil der erste Mensch
sündigte. Sodann die Ausbreitung der Sünde: Sowohl Sünde wie Schuld werden vererbt. Ferner die Strafe der Sünde. Es ließe sich viel darüber sagen, ich will in diesem Zusammenhang nur das größte Ärgernis nennen: Gott straft mit ewiger Pein. Endlich steht hier die Aussage über das Wesen der Sünde: Der Mensch ist böse, darum kann er weder als Individuum noch als Kollektiv gebessert werden. Er kann nur erlöst werden, und zwar durch eine völlige Neuschöpfung.
Das religiöse Ärgernis
Die größte Schwierigkeit besteht hier in dem eigenartigen Heiligkeitsbegriff, der seinen anstößigsten Ausdruck in Gottes
Zorn hat. Dieser Zorn spielt ja nicht nur im Alten Testament, sondern auch im Neuen Testament eine so grundlegende
Rolle, daß die Erlösung eigentlich eine Erlösung von Gottes Zorn ist. Dem heutigen Durchschnittsmenschen muß
es wie eine Entwürdigung Gottes erscheinen, wenn man von Gottes Zorn spricht, vergleichbar damit, daß man von Gottes
Sünde spräche.
Und Gottes Gnade ist auch ein Problem. Sie besteht nicht darin, daß Gott seinem Schuldner vergibt, sondern darin, daß
er erst eine Sühnung verlangt, die sein einziger ewiger Sohn auf sich nimmt. Sie besteht darin, daß der Sohn stellvertretend
Gottes Zorn und Strafe erleidet, die das Menschengeschlecht wegen seiner Sünden treffen müßte. Dann haben wir die Erlösung des Einzelnen, die die Bibel Rechtfertigung nennt. Sie besteht darin, daß Gott den Gottlosen rechtfertigt, nur weil er an Christus glaubt. Und was die Bibel Wiedergeburt nennt, ist nicht weniger ärgerlich. Sie unterstreicht stärker als alles andere die pessimistische Auffassung des Christentums vom Menschen. Niemand kommt in das christliche Gottesverhältnis auf Grund
seiner eigenen moralischen Anstrengungen, sondern allein durch eine göttliche Neuschöpfung.
Dem Durchschnittsmenschen muß das wie eine Schwächung des menschlichen Verantwortungsgefühls vorkommen.
Anstatt an den Willen des Menschen zu appellieren, gibt sich der Christ einem mysteriösen Gotteserlebnis hin und scheint
dadurch auf seine eigene moralische Verantwortung zu verzichten. Zusammenfassend könnte man hier sagen: Das Christentum schreibt Gott Eigenschaften zu, die einem ethischen Gottesbegriff ganz und gar zu widersprechen scheinen.
Zwei typische Stellungnahmen Zu diesen intellektuellen Problemen des Christentums gibt es zwei typische Stellungnahmen:
Die erste verwirft das ganze Christentum wegen seiner Ärgernisse.
Ihre Vertreter drücken es nicht so vornehm aus wie der alte Björnson, als er bei seinem Abschied vom Christentum
erklärte, es gehe »über die Kraft«. Nein, sie behaupten, das Christentum sei unter aller Kritik. Nicht nur intellektuell,
sondern auch moralisch und religiös stelle es einen Tiefpunkt dar, zu dem sich kein einigermaßen aufgeklärter und denkender Gegenwartsmensch bekennen könne.Die zweite Gruppe bilden diejenigen, die meinen, es sei keineswegs notwendig, das Christentum zu verwerfen, auch wenn man die genannten Ärgernisse ablehnen müsse.
Diese Richtung meint nämlich, das Christentum habe seinem Wesen nach mit diesen Ärgernissen nichts zu tun. Sie gehörten nicht dem ursprünglichen und eigentlichen Christentum an, sondern seien vielmehr ein unvollkommener Ausdruck für die Versuche früherer Zeiten, das Christentum zu denken. Diese Denkweise, die für die dahingegangenen Geschlechter natürlich und zweckmäßig war, ist jetzt veraltet, sagt man. Infolge der Fortschritte der Geistes- und Naturwissenschaften ist dieses Gedankenkleid des Christentums nicht nur unmodern, sondern unpraktisch und hinderlich.
Darum ist es jetzt die Aufgabe des Christentums, sich dieses veralteten Gedankenkleides zu entledigen und sich von seinen Ärgernissen freizumachen, die mehr als alles andere den modernen Menschen hindern, sich den ewigen und unveränderlichen religiösen Wahrheiten des Christentums zu erschließen. Mit dem gesamten wissenschaftlichen Apparat, über den
unsere Zeit verfügt, geht man dann an die gewaltige Aufgabe heran, zwischen der Schale und dem Kern des Christentums
zu scheiden und durch die fromme und wohlgemeinte Urkirchen-Theologie, Mythologie und Legendenbildung vorzudringen
zu dem Evangelium Jesu oder noch lieber zur Religion Jesu, von dem widerspruchsvollen Christus des Glaubens zu
dem einfachen »historischen« Jesus.
Wie man sich auch zu diesem Versuch stellt, man muß zugeben: Es ist in der Tat gelungen, eine Religion zu schaffen,
die kaum noch Ärgernisse enthält. Schlimm ist allerdings, daß man diese Religion ohne Ärgernisse als Christentum ausgibt, ja als das eigentliche, ursprüngliche Christentum. Und unbegreiflich ist, daß es im Namen der Wissenschaft
geschieht, ja sogar im Namen der Religionswissenschaft. Man scheint so begeistert zu sein über das, was die Wissenschaft
hier geleistet hat, daß man noch nicht die ungeheuerliche Versündigung bemerkt hat, die hier im Namen der Wissenschaft
begangen worden ist.
In der kurzen, aber glanzvollen Geschichte der Religionswissenschaft hat man keine Versündigung gegen diese Wissenschaft von der Art und dem Umfang begangen wie die, die im Namen der Religionsforschung die ganze Geschichte des neunzehnhundertjährigen Christentums Im Namen der Religionswissenschaft sieht man ruhig darüber
hinweg, daß das Christentum in diesen neunzehnhundert Jahren alle die obengenannten Widersprüche enthalten
hat, ja daß es durch alle diese Jahrhunderte hindurch erklärt hat, daß diese Ärgernisse, dieser paradoxe und irrationale
Glaubensinhalt, sein eigentliches Lebenszentrum ausmachen.
Im Namen der Religionswissenschaft hat man die religionsgeschichtliche Ungeheuerlichkeit begangen, daß man nicht
untersucht, wie die christliche Religion historisch und tatsächlich gewesen ist und weiterhin ist. Im Gegenteil: All seinen
religionswissenschaftlichen Scharfsinn verwendet man darauf, zu zeigen, wie das Christentum hätte sein sollen und
wie es daher heute sein muß. Man stelle sich einen Religionshistoriker vor, der etwas Ähnliches mit einer anderen Religion täte, z. B. dem Buddhismus oder dem Islam. Man stelle sich vor, er sähe ganz ab von ihrer geschichtlichen Beschaffenheit und ihrer religiösen Eigenart und versuchte statt dessen nachzuweisen, wie sie hätte sein sollen.
Es ist unvorstellbar, daß irgendein Forscher in dieser Weise bei einer anderen Religion vorgegangen wäre. Dort hätte
er nach der überall anerkannten Forderung nach wissenschaftlicher Objektivität gearbeitet, sine ira et studio, wie die alten
Lateiner es ausdrücken. Nur dem Christentum gegenüber können sich diese Forscher von ihrem persönlichen Standpunkt
nicht freimachen und übersehen daher die elementaren Regeln wissenschaftlicher Forschung. Man ist persönlich
an einer Religion ohne Widersprüche für den modernen Menschen so interessiert, daß man die Geschichte und die religiöse
Beschaffenheit des Christentums konstruiert, anstatt sie zu konstatieren.
Wie sollen wir uns zu den intellektuellen Problemen des christlichen Glaubens stellen?
Wenn wir weder das ganze Christentum wegen seiner Ärgernisse verwerfen noch die Geschichtskonstruktion mitmachen
wollen, die im letzten Grunde eine Geschichtsfälschung ist, eine Fälschung der Geschichte des ganzen Christentums, was
sollen wir dann tun?
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