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Wenn Gedanken Mächte werden...
»Es hat doch alles keinen Sinn, Herr Doktor, für mich gibt es keine Hilfe.« Und als ich diesen Menschen ansah, wußte ich, daß er davon überzeugt war, ein »hoffnungsloser Fall« zu sein. Im Laufe von mehr als zwanzig Jahren haben viele Menschen in meiner Praxis Rat und Hilfe gesucht. Menschen, die in einem tiefen Loch gefangen waren.
Doch die Zahl derer, die keinen Menschen haben und nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen, ist ungleich größer. Sie quälen sich in ihrer Hoffnungslosigkeit und haben keine Kraft mehr zu kämpfen. Ein Heer verzweifelter Menschen mit den Scherben ihrer zerbrochenen Träume. Enttäuscht von sich selbst. Von anderen. Von Gott. Sie fühlen sich verraten. Vom Leben benachteiligt. Sie haben resigniert.
Zu oft sind sie irgendwelchen Versprechungen nachgegangen, nur um feststellen zu müssen, daß das für andere galt - aber nicht für sie. Das Leben ist zu einer Feindmacht geworden, der sie scheinbar wehrlos ausgeliefert sind.
Vielleicht befinden auch Sie sich gerade in solch einem Zustand der Dunkelheit, in dem Sie alle Hoffnungen aufgegeben haben. Sie denken, es wird nie wieder hell. Sie verrichten die täglichen Arbeiten wie im Nebel, während Ihre Gedanken unentwegt um das eine große Problem kreisen, von dem Sie sich einfach nicht abwenden können. Sie sind so tief verwundet, daß Sie sich nicht vorstellen können, daß es je anders werden könnte.
Vielleicht warten Sie insgeheim noch immer auf ein Wunder - und fürchten doch zugleich, daß dieses Wunder Sie niemals erreicht. Vielleicht auch sehen Sie einen anderen Menschen vor sich, der Ihnen nahesteht, und dem Sie gerne helfen möchten, aus seiner Nacht herauszukommen. Aber Sie haben keine Möglichkeit, ihn zu erreichen. Was Sie sagen, geht an ihm vorbei. Als lebte er in einer anderen Welt.
Darum haben wir dieses Buch geschrieben.
Es soll ein ganz praktischer Ratgeber sein.
Wir wollen keine Auflistung psychischer Störungen, vielmehr möchten wir Sie mit hineinnehmen in das Sprechzimmer, um miteinander über das zu reden, was Sie gefangen nimmt, Sie niederzwingt und zu Boden drückt.
Wir möchten mit diesen Zeilen gleichsam ein Seil hinunterlassen für alle, die sich in solch einem tiefen schwarzen Loch befinden, um sie in die Freiheit zu führen. In das Licht. Wir möchten Schritt für Schritt mit Ihnen gehen und Sie teilnehmen lassen an dem, was schon vielen Menschen vor Ihnen zur Hilfe geworden ist.
Und wenn diese Seiten auch in Ihnen eine neue Hoffnung wecken konnten, ist es unsere Bitte, daß Sie diese Schau weitergeben, damit eine Spur der Hoffnung sichtbar wird - wie ein leuchtender Weg.
Einleitung
Tagebuch der Nacht
Dieses Tagebuch eines jungen Menschen entstand nach dem Zer-bruch einer Freundschaft und wurde mit Genehmigung rekonstruiert, bearbeitet und zusammengestellt. Da ähnliche Erfahrungen vielfach berichtet wurden, können diese Aufzeichnungen hier stellvertretend die innere Auseinandersetzung einer extremen Gefühlsverwirrung widerspiegeln.
1. 12.
Es ist das Tagebuch meiner Nacht. Denn für mich gibt es kein Morgen. Ich sitze den ganzen Tag da und starre vor mich hin. Mein Denken ist in einem Zwang gefangen. Mit einer unheimlichen Gewalt zieht es mich. Wenn ich nur wüßte, wer dieser Feind ist, der da auf mir sitzt und mich würgt und zugleich in eine unergründliche Tiefe zieht. Ich möchte schreien. Aber es fehlt die Kraft. Oder ist es das Wissen, daß niemand hört? Meine Gedanken irren ziellos umher, doch nur, um wieder zurückzukehren an den alten, wunden Punkt: Hätte ich anders entschieden, es wäre alles anders geworden.
Hätte - Mit meinem Verstand - sofern noch etwas davon übrig geblieben ist - weiß ich, daß dieses Hätte mich nicht weiterbringt. Aber das. Wissen hilft nichts. Die Anklage ist stärker. Was hilft es, wenn man zu mir sagt: »Die Realität akzeptieren« - wenn alles in mir schreit: Ich kann nicht! Ich kann nicht! Ist es Selbstmitleid? Ach, nicht einmal dazu reicht die Kraft. Ich bin schuld. Alles ist meine Schuld. Alles - und nichts.
2. 12.
Ein neuer Tag. Den ich leugnen möchte. Einfach löschen. Daß nichts mehr an mich erinnert. Mich selbst auslöschen. Daß ein Mensch sich so quälen muß.
3. 12.
Wenn ich versuche, sachlich meine Situation zu sehen, verstehe ich mich selber nicht. Zwischendurch ist es wie ein schüchternes Erwachen: Und wenn ich mich geirrt habe? Wenn es vielleicht doch eine Hoffnung gibt? Aber sogleich legt sich die Traurigkeit wie ein Mantel um mich, in den ich mich erneut hülle - ohne geborgen zu sein. Denn dieser Mantel ist gefüttert mit tausend Nadeln, die meine Seele verwunden.
4.12.
Ich versuche, mich abzulenken. Aber es ist, als hätte ich Zentnerschwere Gewichte an den Beinen. Ich schleppe mich mühsam von einem Zimmer ins andere. Ich schäme mich, jemand könnte mich sehen. Von meinen alten Bekannten. Ich möchte fliehen. Irgendwohin - und weiß doch nicht wohin. Oh, Gott. Wo bist du?
5.12.
Heute war er wieder da. Ich redete wie im Traum. Alles schien so unwirklich, meilenweit entfernt. Ich selbst wie auf einem fernen Stern. Ich hörte mich selbst reden - ohne zu wissen, was. Auch meine Bewegungen waren fremd. Fast geisterhaft. Ohne Empfinden. Ob es im Tode ähnlich ist?
Würde das Gewicht mich nicht niederzwingen
12.12.
Die letzten Tage habe ich wie in einer Agonie verbracht. Unfähig, die Qualen in Worte zu fassen. »Es ist wie Mord in meinen Gebeinen« - ob der Psalmist das selbst durchlitten hat?
26.12.
Ich habe R. zum Flughafen gebracht. Als er hinter der großen Tür verschwand, war es, als würde alles Leben im Nebel ausgelöscht. Jedes Gefühl. Wie in Trance suchte ich den Weg zurück. Die Überzeugung, nicht lebensfähig zu sein, erschreckt mich. Ich fühle mich unendlich verlassen. Allein. Eine abgeschnittene Pflanze, die irgendwo im Universum dahinwelkt. Ich möchte Wurzeln treiben. Irgendwo zu Hause sein. Ist es das Gefühl der inneren Heimatlosigkeit, daß ich diese Leere empfinde? Dieses Ausgeliefertsein. Ohne mich festhalten zu können...
27. 12.
Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich meiner - das ist alles, was ich schreien kann. Nicht einmal. Hundertmal. Die ganze Nacht. Ich war zu keinem anderen Gedanken mehr fähig. Aber wenn man bittet - und nicht empfängt; anklopft - und niemand öffnet - ein Sack voller Versprechungen - und dann doch leer ausgeht - - was mache ich verkehrt?
Nein, ich weiß, keine Methode. Wir können Gottes Handeln nicht voraus berechnen. Wir sollen vertrauen. Und gerade das ist es, was ich am wenigsten vermag. Dieses tiefe schleichende Mißtrauen, das mich von innen zerfrißt.
28.12.
Hätte ich ein Gegenüber, wäre ich gezwungen, Gedanken in Worte zu fassen und damit ein wenig Licht in mein inneres Chaos zu bringen.
Weiche ich einer Konfrontation mit mir selbst aus? Es fällt mir so schwer, mich festzunageln, eine Gedankenlinie zu verfolgen. Oder ist es darum, weil ich gar nicht fähig bin, einen klaren Gedanken zu fassen? Nur die Tatsache bleibt konstant. Auch wenn ich noch so sehr wünschte, alles wäre nur ein Traum. Ich möchte schlafen. Alles vergessen. Aber nein: nicht ausweichen!
Die Perspektive, die ich bis dahin hatte, ist nun ins Gegenteil gekehrt, zu einer Waffe geworden, die sich gegen mich richtet. Aus dem Plus ist ein Minus geworden. Und ich bin nicht fähig, die alten Gedanken noch einmal zu denken. Alles ist verzerrt. Ich frage mich. Welcher Schau kann ich vertrauen, der vorhergehenden - oder der jetzigen?
War es das Abenteuer, das ich suchte? War es Flucht? Oder, gar beides? Was ist der Grund meines Traurigseins? Ist es verletzter
Stolz? Aber vielleicht liegt der eigentliche Grund noch tiefer. Viele Gedanken haben zueinander gefunden wie ein Puzzle. . . Ich fühle mich entwurzelt. Heimatlos.
3.2.
Hätte - und wenn ich hundertmal weiß, daß es mich nicht weiterbringt, dieses kleine Wörtchen bohrt und sticht und schneidet wie
Die Krise als Chance nutzen
- Tagebuch der Nacht
- Gefühl, was ist das
- der Mensch, eine Einheit
I. kleine Anatomie
- unser Gehirn, die Schaltzentrale
- limbisches System
- rechtes und linkes Gehirm
II. Ausnahmezustand
A. wie kommt es dazu
- starke emotionale Belastung
- starke körperliche Belastung
- Frage der Schuld
B. psychische Symptome, aus der Nähe gesehen
- Angst
- Panik
- Fremdheitsgefühl
- Zwangsgrübeln
- hätte
- das Gefühl, wahnsinnig zu werden
C. gleitender Übergang
III. Depression
- wie äußert sie sich
- wer erkrankt an ihr
- was geschieht dabei
IV. vom Heilwerden
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