BEGEGNUNGEN MIT GOTT IN DER TIEFE
- ich wollte ein Gewinner sein - Bergabsturz mit Folgen - Frieden mit Gott - laues Christenleben - in den Klauen einer Sekte?
- Diagnose Krebs - Chemo-Keule - heilt Gott durch ein Wunder? - einseitig verliebt - Strahlen-Keule - zweite Lebenschance?
- Rezidiv - schwere Entscheidung - Erfahrungen mit der Alternativmedizin - Hochzeit und Tiefzeit - Bitter enttäuscht - nicht mein, sondern dein Wille geschehe - Krebspersönlichkeit - zurück zur Schulmedizin - Gott spricht durch Hiob zu mir - medizinische Bergführer - werde ich bald sterben? - Krankheitsalltag - lebensverlängernde Maßnahmen - austherapiert - Rückblick, Vorausblick und Aufblick - auf der Suche nach einem Winterdomizil - größter Feind: der Schmerz - Morphiumentzug - die schlimmste Nacht - drohende Querschnittslähmung - Leben als Behinderter - Gott baut mein Lebenshaus
Als ich erstmals darauf angesprochen wurde, ob ich meine KrankheitsErlebnisse in Form eines Buches festhalten wolle, reagierte ich zurückweisend: »Gibt es denn nicht schon genug Geschichten von Kranken und Leidenden? Außerdem könnte mein Krankheitsverlauf auf manche Leser deprimierend wirken.« Was mich schließlich doch zum Schreiben dieses Buches bewegte, war die Ermutigung von Wilfried und Sylvia Plock, Dieter Schmidt und anderen Freunden. Sie meinten, dass Gottes Wirken in meinem Leben für viele Menschen Trost und Ermutigung sein könnte. Nach längerem Zögern machte ich mich Anfang 2003 an die Arbeit.
Grundlage dafür waren über 300 DIN-A4-Seiten Tagebuch, die ich während meiner Krankheit zur Verarbeitung meines Leides aufgezeichnet hatte. Dankbar bin ich allen, die mich während des Schreibens im Gebet unterstützt und immer wieder zum Weitermachen motiviert haben. Dankbar bin ich auch allen, die das Manuskript überarbeitet und ihre Ideen eingebracht haben. Dankbar bin ich vor allem meiner unsagbar wertvollen Frau Kerstin, die bei der Niederschrift meiner Erfahrungen im Leid genauso liebevoll mitgeholfen hat wie sie es beim Tragen des Leides bis heute tut.
Auch folgende Gedanken über die Langzeitwirkung des gedruckten Wortes waren mir ein ständiger Ansporn: »Es weicht niemals zurück, zeigt nie Feigheit; es kommt nie in Versuchung, Zugeständnisse zu machen; es wird nie müde und lässt sich nie entmutigen; es reist billig; es wirkt während wir schlafen, verliert nie die Fassung und wirkt auch dann noch weiter, wenn wir schon lange tot sind. Es trifft den Menschen immer in der richtigen inneren Verfassung; denn es spricht ihn nur an, wenn er sich zum Lesen Zeit nimmt; es steht immer zu dem, was es gesagt hat; es ist wie ein Angelköder, der immer im Wasser hängt.«
Mein größter Wunsch ist, dass dieses Buch einen kleinen Beitrag dazu leistet, Jesus Christus besser kennen zu lernen, und zwar als einen Gott, dessen Wege wir Menschen nicht immer verstehen, dem wir jedoch voll und ganz vertrauen können. Er meint es gut, selbst wenn es gar nicht gut aussieht. Er legt Lasten auf, hilft aber auch, sie zu tragen. Er macht keine Fehler – niemals! Das habe ich in bislang sechs Krankheitsjahren durchwegs erfahren.
Ich wollte ein Gewinner sein
Es ist August im Jahr 2003: Eine laue Sommernacht, klarer Sternenhimmel. Uns umgibt eine angenehme Stille. Im Hintergrund zirpen Grillen und in der Ferne hört man Frösche quaken. Lavendelduft umhüllt uns. Die Kerzenflamme flackert im sanften Wind. In den Gläsern vor uns auf dem Tisch funkelt ein vollmundiger Rotwein und es locken ausgewählte Käsesorten mit knusprigem französischem Baguette, die dem Gaumen einen besonderen Genuss verheißen. Ich sitze mit meiner geliebten Frau und netten Freunden auf unserer Terrasse, genieße die romantische Stimmung. Intensive Lebensfreude erfüllt mich. Da ist kein Gedanke an Schmerz oder Leid. Da sind keine Sorgen, keine Angst. Ich fühle mich wie im Urlaub. Das Leben ist schön! Die wunderbare Atmosphäre lässt für einen Moment alles vergessen.
Auch meinen Krankenhaus-Aufenthalt im August 1996. Damals war alles ganz anders: Draußen hing der Himmel bleischwer voller grauer Wolken. Drinnen erhellte grelles Neonlicht den Raum. Ein Monitor piepste monoton. Beißender Geruch von Desinfektionsmitteln und Wundtinkturen stieg mir in die Nase. Vor mir stand auf einem Plastiktablett ein liebloses Abendessen: Latschiges Weißbrot, dazu blasse Dosenwurst, konfektionierter Streichkäse und Fencheltee. Ich lag auf der Intensivstation des Krankenhauses und war noch benebelt von der Narkose. Bei der Operation war mein linker Lungenflügel zusammen gefallen – ein Pneumothorax, wie der Arzt es nannte. In meiner Seite steckte ein Schlauch, mit dem durch Unterdruck Flüssigkeit aus meinem Brustraum abgesaugt wurde. Jeder Atemzug verursachte heftige Schmerzen, jede Bewegung tat weh.
Ich fühlte mich sterbenselend und hatte Angst. Das Essen ließ ich unberührt stehen. Schwere Gedanken kreisten in meinem Kopf, ein dumpfes Gefühl der Unsicherheit erfüllte mich und ich wurde gequält von der bangen Frage: »Wird die soeben entnommene Gewebeprobe den Verdacht auf Krebs bestätigen?« Beide Situationen beschreiben Momente aus den letzten sieben Jahren meines Lebens. Manchmal kam ich mir vor wie auf einer Berg- und Talfahrt: Es ging in sonnige Höhen, aber auch durch dunkle Tiefen. Schönes und Schweres, Glück und Leid lagen nahe zusammen.
Begonnen hat alles am 1. Januar 1968 in Schwabach bei Nürnberg: Eigentlich sollte meine Geburt ein schöner Neujahrsgruß an meine Eltern sein. Aber schon bei meinem Eintritt ins Erdendasein ging es um Leben oder Tod: Die Nabelschnur war zweimal um meinen Hals gewickelt. Ich wäre fast erstickt. Mit vier Jahren war ich so schüchtern, dass ich mich weigerte, ohne meine Schwester Martina in den Kindergarten zu gehen. Im Halbjahreszeugnis der 1.Klasse stand die Bemerkung: »Er scheut sich zu sprechen.« Meine erste Schularbeit – ein Diktat – hatte ich verhauen: 5-6 stand ganz groß vorne drauf. Es tat mir weh, wenn andere Kinder spotteten: »Du hast Schlitzaugen, siehst aus wie ein Chinese.« Schließlich war ich mit meinem Aussehen sowieso nicht zufrieden. Solche Begebenheiten schwächten mein ohnehin geringes Selbstwertgefühl. Dabei wuchs ich unter guten Rahmenbedingungen auf: Meine Eltern nahmen sich viel Zeit für meine beiden jüngeren Geschwister und mich.
Wir verbrachten schöne Urlaube in den Bergen, spielten im Garten oder im nahe liegenden Wald. Ernsthafte Streitereien in der Verwandtschaft kannte ich genauso wenig wie Einsamkeit. Bereits mit drei Jahren lernte ich Andreas kennen, einen Jungen aus der Nachbarschaft, der zu meinem »Sandkastenfreund« wurde. Seitdem hatte ich immer Freunde, mit denen ich mich gut verstand. Sie gaben mir den bis heute verbreiteten Spitznamen Nobby.
Vielleicht spielte meine Veranlagung dabei eine Rolle, vielleicht frühkindliche Erlebnisse, vielleicht auch meine anfänglichen Misserfolge in der Schule – jedenfalls entwickelte ich schon in meiner Kindheit unterbewusst das Lebens- und Denkmuster: »Ich will kein Verlierer sein, sondern ein Gewinner« … und dafür investierte ich viel Energie und Zeit. In der Schule begann ich, fleißig zu lernen und konnte dadurch meine Leistung Jahr für Jahr steigern.
Die achte Klasse musste ich nicht wiederholen, obwohl ich fast das halbe Schuljahr verpasst hatte: Auf dem Heimweg von der Schule war ich wie immer mit dem Fahrrad unterwegs, als mich eine Frau beim Rückwärtsfahren aus ihrer Einfahrt erfasste. Frontal knallte ich gegen ihr Auto, flog im hohen Bogen darüber und erlitt dabei einen komplizierten Oberschenkelbruch. Zwei Operationen waren nötig und viel Training, um wieder den Anschluss zu finden, insbesondere im Hauptfach Sport. Doch es klappte. Im 10. Schuljahr war mein Notendurchschnitt so gut, dass ich als der zweitbeste Absolvent der gesamten Realschule ausgezeichnet wurde.
Auch im Sport entdeckte ich Begabungen, fing an zu trainieren und rückte dadurch sowohl im Schulsport als auch im Schwimmverein schnell in die erste Reihe auf. Das stärkte mein Selbstbewusstsein und motivierte mich, noch härter zu trainieren. Was ich tat, tat ich von ganzem Herzen und mit vollem Einsatz. Disziplin war mir anscheinend in die Wiege gelegt.
Ohne innerlich hin- und hergerissen zu sein, konnte ich auf das Spielen mit Freunden oder auf einen spannenden Film im Fernsehen verzichten, falls es nötig war, um mit meinen Hausaufgaben fertig zu werden oder an Schwimmwettkämpfen teilzunehmen.
Trotz meines Engagements in der Schule und im Sport blieb genug Zeit für andere Aktivitäten. Ich suchte das Abenteuer: Als Kind am Lagerfeuer, beim Baden und Zelten an dem nahe liegenden Fluss Rednitz. Später auf Reisen, beispielsweise mit dem Fahrrad durch Österreich, mit dem Zug durch Westeuropa oder beim Skilaufen und Bergsteigen in den Alpen. Wie gut konnte ich dabei vom Alltag abschalten! Ich selbst wurde unwichtiger und kleiner. Der Blick fiel auf Schönheiten der Natur. Schneebedeckte Bergriesen und klare Sternenhimmel faszinierten mich. Wenn ich nicht unterwegs war, verbrachte ich die Wochenenden mit Freunden in Kneipen und in Diskotheken. Wir waren eine tolle Clique und verbrachten viele schöne Stunden miteinander.
Ausbildung und Arbeit
Nach der Realschule bekam ich den ersehnten Ausbildungsplatz bei der Deutschen Bank. Wie so oft in meinem Leben hatte ich auch hier gewisse Startprobleme. Tollpatschig tunkte ich beim Begrüßungsessen am ersten Arbeitstag meine Krawattenspitze in die Suppe. Anschließend zerbrach ich mir den Kopf darüber, welchen Eindruck nun der neben mir sitzende Personalchef wohl von mir habe. Auch hinter dem Banktresen muss ich mit meinen 16 Jahren recht unbeholfen gewirkt haben. Doch mein großes Interesse für den Beruf und mein Fleiß verhalfen mir zu einem sehr guten Abschluss meiner Ausbildung. Ich wurde in das Angestelltenverhältnis übernommen und arbeitete mit einer 15-monatigen Bundeswehr-Pause etwa eineinhalb Jahre als Kundenberater. Nach wie vor fand ich meinen Beruf inhaltlich attraktiv. Besonders genoss ich Seminare, auf denen ich Neues hinzulernen durfte. Was mir dagegen von Anfang an nicht behagte war die Tatsache, dass meine Leistung als Bankkaufmann zunehmend an den verkauften Sparverträgen, Krediten oder Investmentfonds gemessen wurde. Gerne beriet ich Menschen, die zu mir kamen, um Geld anzulegen. Doch es war mir eher lästig, aktiv auf Kunden zuzugehen und sie zu Hause anzurufen, um im Rahmen der neuesten Bauspar-Verkaufsaktion möglichst viele neue Verträge abzuschließen.
Gefühle und Religion
Mein Gefühlsleben war ungewöhnlich stabil. Natürlich war ich immer wieder verliebt und immer wieder in andere Mädchen. Doch solche Empfindungen vereinnahmten nicht meine Gedanken. Den ersten Liebesbrief, den ich mit 14 Jahren bekam, warf ich unbeantwortet in den Papierkorb, weil ich keinerlei Interesse an dieser Beziehung hatte. Um selbst auf das andere Geschlecht zuzugehen, war ich bis zu meinem 18. Lebensjahr zu schüchtern. Danach lernte ich immer wieder junge Frauen kennen, pflegte platonische Freundschaften mit ihnen, hatte aber keine sexuellen Kontakte. Das wollte ich auch nicht. Schon in jungen Jahren hatte ich Sehnsucht nach einer dauerhaften Beziehung, nach der Frau fürs Leben, mit der ich eine Familie gründen und alt werden konnte. Religiöse Dinge spielten in meinem Leben keine ernsthafte Rolle. Wie in der evangelischen Kirche üblich, wurde ich als Kind getauft. Es war eine gewisse Frömmigkeit vorhanden. »Komm Herr Jesus, sei unser Gast, und segne, was du uns bescheret hast« war unser tägliches Tischgebet in der Familie. Außerdem kniete ich als Kind oft vor meinem Bett und betete das »Vaterunser« oder: »Himmelsvater mach mich fromm, damit ich in den Himmel komm.« Auch an Information über den evangelischen Glauben wollte ein Gewinner sein. An Glauben mangelte es nicht: Im Religionsunterricht, im sonntäglichen Kindergottesdienst, im Konfirmanden-Unterricht … überall wurde von Jesus erzählt. Doch das waren eher Pflichtveranstaltungen für mich. Tiefere Gedanken über Gott machte ich mir nicht. Bei der Konfirmation ging es mir nicht in erster Linie um die Bestätigung meiner Taufe oder um eine bewusste Hinwendung zu Jesus Christus, sondern eher um die Geschenke. Endlich konnte ich mir eine Stereoanlage leisten. Ich war ein Namenschrist. Hier, auf diesem Planeten, wollte ich glücklich werden und dafür kämpfte ich.
Ein Bergabsturz mit Folgen
Im Frühjahr 1989 geschah etwas Einschneidendes: Zusammen mit meinem Freund Uwe war ich zum Bergsteigen gefahren. Auf einem schmalen, schneebedeckten Pfad rutschte ich aus und glitt über Fels und Eis etwa 100Meter in die Tiefe. Das Resultat: Zwei gebrochene Arme, ein gebrochenes Bein, tiefe Schürfwunden und ein zweiwöchiger Krankenhaus-Aufenthalt in Österreich.
Nahezu bewegungsunfähig und an das Bett gebunden hatte ich nun viel Zeit zum Nachdenken. Zwei Fragen gingen mir nicht aus
dem Kopf: Was kommt nach dem Tod? Wie leicht hätte ich mir bei diesem Absturz das Genick brechen können! Und wie kann ich
dieses kurze Leben sinnvoll gestalten? Ich begriff: »Du bist zwar erfolgreich. Du hast bisher alles erreicht, was du dir vorgenommen hast. Aber das kann doch nicht alles sein! Das Leben muss mehr zu bieten haben als von Montag bis Freitag zu arbeiten und am Wochenende Sport zu treiben und in die Diskothek zu gehen.« Es musste sich etwas ändern! Ich wollte mein kurzes Leben besser auskosten als bisher. So fing ich an, nach wahrem Glück zu suchen. Diese Suche hatte Konsequenzen. Ich gestand mir ein, mit meinem Beruf unzufrieden zu sein. Zunächst fiel es mir schwer, gegen die vehementen Einsprüche meines Vaters und meiner Vorgesetzten meinen sicheren Arbeitsplatz bei der Bank zu kündigen und in eine unsichere Zukunft zu gehen. Doch ich dachte, es sei besser, mal einen Fehler zu machen, als das Leben mit dem Bedauern von verpassten Gelegenheiten zu verschwenden. Als ein Kollege den gleichen Schritt ging und mich einige Freunde dazu ermutigten, wagte ich es schließlich: Ich kündigte bei der Deutschen Bank und meldete mich ab September 1989 an der Staatlichen Berufsoberschule in Nürnberg für eine zweijährige Ausbildung zur Fachgebundenen Hochschulreife an. Vor allem ging es mir darum, mein Allgemeinwissen zu erweitern. Ich wollte mehr Zeit und Muße haben, über die wesentlichen Dinge des Lebens nachzudenken. Nun hatte ich zwar weniger Freizeit als in der Bank. Doch ich war glücklicher. So war es immer in meinem Leben: Wenn ich überzeugt war, auf dem richtigen Weg zu sein, war ich zufrieden, unabhängig von der Arbeitsbelastung, sogar unabhängig davon, ob alles nach Plan lief.
Auf der Suche nach Sinn und Glück
Neben Schule und Sport begann ich, alles zu erforschen, was mir auf der Suche nach einem erfüllten Leben helfen könnte: Autogenes Training, Bücher von Erich Fromm, Esoterik, die Erfolgsliteratur … aber nichts half mir wirklich weiter. Aus den Büchern von Erich Fromm lernte ich beispielsweise, wie elend unsere kapitalistische Gesellschaft ist: Wir meinen, nach eigenen Interessen zu handeln, sind jedoch in Wirklichkeit stark von den Gesetzen des Marktes beeinflusst. Unsere Vergleichs-Mentalität drängt uns dazu, besser sein zu wollen als andere. Und unser Marketing-Charakter veranlasst uns dazu, uns um die Erhöhung unseres »Wertes« am Arbeitsmarkt zu bemühen. Materielle Werte stehen im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns. Aber wer bin ich, wenn ich bin, was ich habe, und verliere, was ich habe? Eigentum macht unfrei, fördert die Angst, etwas zu verlieren. Fromm erklärte, was der bessere Weg ist: Lieben, teilen, geben, Dinge genießen können, auch wenn sie nicht mein Eigentum sind. Doch er sagte nicht, wie man zu dieser Haltung kommt, wie man frei wird von seiner Vergleichs-Mentalität und dem Marketing-Charakter. Die »Erfolgsliteratur« vermittelte mir: »Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner!« Ich probierte die angebotenen Strategien zu einem glücklichen Leben aus. Zuerst sollte ich mir Ziele setzen: Ich wollte einen Beruf, der Spaß macht und bei dem ich genug verdiene, um mir ein schönes Haus, ein schnelles Auto sowie zwei Urlaube pro Jahr leisten zu können. Ich wollte gesund, sportlich und gebildet sein, gute Freunde haben und vor allem eine liebe, hübsche Frau. Die Ziele standen fest. Nun ging es darum, hart dafür zu arbeiten und schon den Weg dorthin zu genießen. Ein Stück weit gelang das, denn der Schulstoff interessierte mich sehr, das Lernen machte Freude, ich verbesserte meine Chancen auf einen guten Arbeitsplatz. Und es blieb noch genug Freiraum, um zu reisen, auszugehen und interessante Menschen kennen zu lernen.
Insofern war ich auf meiner Suche nach Glück ein Stück weitergekommen – zumindest tat ich nun das, was ich wirklich wollte.
Aber das Entscheidende fehlte noch. Die vermeintliche Erfolgsliteratur zeigte mir zwar auf, wie ich dieses irdische Leben gestalten kann. Auf die wirklich wichtigen Fragen hatte sie dagegen keine Antworten: »Wie finde ich den ersehnten Frieden im Herzen? Was kommt nach dem Tod? Wie werde ich frei von meiner Furcht vor dem Tod?« Ich beobachtete, dass mein Leben wie ein Hauch vergeht und fühlte mich gehetzt bei dem Gedanken, diese knappe Zeit möglichst erfüllt verbringen zu wollen.
Kampf gegen den Neid
Außerdem machte mich mein Ehrgeiz unfrei und unzufrieden. Gerne hätte ich alles leichter genommen. Doch ich war Perfektionist und konnte meine Vergleichs-Mentalität nicht abstellen. Sie kam in Form von Neid auf meinen jüngeren Bruder Gerald zum Ausdruck. Er war in vielerlei Hinsicht so, wie ich gerne sein wollte. Ob ich es wollte oder nicht – immer wieder ertappte ich mich dabei, mich mit ihm zu vergleichen: »Er ist intelligenter als ich, hat in der Schule bessere Noten und damit bessere Zukunftsaussichten. Er ist breiter interessiert als ich und hat deshalb ein besseres Allgemeinwissen …« Da wir beide bei meinen Eltern wohnten, sah ich täglich seine Stärken und meine Schwächen. Es begann ganz klein, langsam machte sich ein wenig Missgunst breit und mit der Zeit wucherte dieses Unkraut. Irgendwann konnte ich meinen Neid nicht mehr verbergen. Er kam in Form von bissigen Bemerkungen meinem Bruder gegenüber zum Vorschein, worunter unsere Beziehung sehr litt. Unbedingt wollte ich von meinen neidischen Gedanken frei werden. Erneut suchte ich in Büchern nach Hilfe. Darin wurden mir meine Probleme aufgezeigt: Schadenfreude, Unfähigkeit zur Bewunderung, krampfhaftes Streben nach Überlegenheit. Mir wurde klar: »Der Neider sieht, zu seiner eigenen Pein, nur alles Fremde groß und alles Eigene klein.« Wer neidisch ist, nimmt das eigene Glück nicht wahr. Er wertet das ab, was er hat, und kann nur das wertschätzen, was er nicht hat. Die Schwierigkeiten wurden in der Literatur ausführlich erläutert. Eine wirksame Methode, sie in den Griff zu bekommen, fand ich erneut nicht darin. Es wurde empfohlen, selbst das zu tun, was man an der beneideten Person bewundert. Doch das half nichts. Gerald würde immer der Überlegene bleiben. Anstatt frei davon zu werden, entwickelte sich mein Neid in eine nahezu krankhafte Form.
Frieden mit Gott
Meine Suche nach Sinn und Glück ging weiter, insgesamt eineinhalb Jahre lang, bis ich in der Zeitung die Einladung der Landeskirchlichen Gemeinschaft Schwabach zu einem Vortrag über den »Sinn des Lebens« entdeckte. Genau das suchte ich. Deshalb gab es nichts zu überlegen. Ich war dabei, als am 5.Oktober 1990 der Prediger Jürgen Mette über »mein Thema« sprach. Die Botschaft dieses Abends war völlig konträr zu allem, was ich vorher gelesen hatte. Überall ging es darum, wie ich mir selbst helfen kann. Nun hörte ich, dass ich aus eigener Kraft nicht weiterkomme und Gottes Hilfe brauche. Jürgen Mette erklärte anhand der Bibel, dass ich mein Leben eines Tages vor einem heiligen Gott verantworten muss. Dieser Gott wird mich schuldig sprechen, weil ich selbst seine zwei wichtigsten Gebote nicht befolgt hatte: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand« und »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Mt 22,37.39). Im Gegensatz dazu liebte ich vor allem mich selbst. Um Gott hatte ich mich nie ernsthaft gekümmert. Schnell verstand ich: »Mit meinem aus dem eigenen Blickwinkel anständigen Leben kann ich diesen Gott nicht beeindrucken. Er muss mich verurteilen. Wenn ich den Bergabsturz nicht überlebt hätte, müsste ich die Ewigkeit in der Hölle verbringen, an einem unbeschreiblich schrecklichen Ort.« Zum Glück gibt es einen Weg, das Gericht Gottes zu umgehen.
Die Bibel sagt in Johannes 3,16: »Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.« Welch ein Geschenk: Jesus Christus hat die Strafe, die ich verdient habe, auf sich genommen. Er ist für mich persönlich ans Kreuz gegangen, hat gewissermaßen für mich die Hölle durchlebt, damit ich nicht verdammt werde, sondern in den Himmel komme. Die Liebe Jesu überwältigte mich.
Während die meisten Menschen schwere innerliche Kämpfe auszufechten haben, bevor sie das Angebot Gottes annehmen, ging
ich ohne länger zu zögern auf den Prediger zu und sagte: »Ich glaube! Und ich möchte dieses neue, ewige Leben haben.« Daraufhin beteten wir gemeinsam. Ich bekannte Jesus Christus alle Sünden, die mir einfielen und bat ihn um Vergebung. Endlich hatte ich das gefunden, was ich im Verborgenen meines Herzens stets gesucht hatte: Frieden mit Gott, die Gewissheit, eines Tages in den Himmel zu kommen und ein sinnvolles Leben unter der Führung Gottes. Wie bereits erwähnt, hatte ich vorher schon viel von Jesus gehört. Doch mir war nicht bewusst gewesen, dass ich mich ausdrücklich für ein Leben mit ihm entscheiden muss, um von meiner Sündenschuld freigesprochen zu werden. Ich wusste auch nicht, dass er den ersten Platz in meinem Herzen einnehmen möchte.
Damals war mir die Tragweite noch nicht klar. Heute weiß ich: Am 5.Oktober 1990 traf ich die wichtigste Entscheidung meines
Lebens. Ohne den Bergabsturz hätte ich vielleicht nie intensiver über Leben, Tod und die Person Jesus Christus nachgedacht.
Deshalb kann ich von ganzem Herzen bezeugen: Ich bin dankbar für diesen Unfall – nicht für die Schmerzen, aber dafür, dass er der Auslöser für meine Suche war und damit auch für die Entscheidung, Christ zu werden.
Ein laues Christenleben
Nun hatte ich Jesus Christus in mein Herz aufgenommen und war ein Kind Gottes geworden (Joh1,12). An meinem Lebensstil
änderte sich allerdings wenig. Nach wie vor schlief ich am Sonntag lieber aus, als in den Gottesdienst zu gehen. Nach wie vor ging es mir vor allem um mein eigenes Wohlergehen. Unterbewusst hatte ich folgende Haltung: »Nimm alles mit, was gut für dich ist, im Glauben, im Beruf und in deiner Freizeit.«
Im Rückblick tut mir das Leid. Ich hätte mir nach meiner Entscheidung für Christus systematisch die Grundlagen des christlichen
Glaubens aneignen sollen. Ich hätte täglich die Bibel lesen und beten sollen. Und ich hätte mich verbindlich einer Gemeinde anschließen sollen, um gemeinsam mit anderen Christen Gott zu loben und aus seinem Wort zu hören. So hätte ich gewiss mehr Begeisterung für Gott und seine Sache entwickelt. Stattdessen begnügte ich mich damit, die wöchentlich stattfindenden Jugendstunden der Landeskirchlichen Gemeinschaft Schwabach zu besuchen, wozu ich immer wieder liebevoll eingeladen wurde. Anstatt zu fragen, was Gott von mir möchte, lebte ich so weiter, wie ich es für richtig hielt. Nach Erlangen der Fachgebundenen Hochschulreife zog ich nach Trier, um dort ab Oktober 1991 »European Business« zu studieren – ein international ausgerichtetes Betriebswirtschafts-Studium mit einem Jahr Auslandsaufenthalt.