Mit dem evangelischen Glaubensbuch »Aufschlüsse« aus der DDR liegt ein weiteres Beispiel einer modernen Glaubenslehre für Erwachsene vor. Das Glaubensbuch vermittelt ein Bild von Glauben und Denken im Bereich des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR. Durch die Arbeitsweise und als kirchliche Gemeinschaftsarbeit fordert dieses Buch zu einem Vergleich mit dem »Evangelischen Erwachsenenkatechismus« heraus. Das Buch spiegelt die besondere gesellschaftliche Lage der Kirche in der DDR wider. Für evangelische Christen in der Bundesrepublik ist es daher ein wichtiger Gesprächspartner und eine wertvolle Informationsquelle, die ihm Einblick in den besonderen Weg von christlichem Glauben und evangelischer Kirche in einer sozialistischen Gesellschaft geben kann.
»Aufschlüsse« umfaßt fünf Teile. Die drei Hauptkapitel: Gottes Mensch - Solidarität und Mündigkeit; Gottes Welt - Vorgabe, Entwurf, Hoffnung; Gottes Volk - Gemeinschaft und Dienst, lassen die Anlehnung an die drei Artikel des Glaubensbekenntnisses erkennen. Allerdings ist ganz bewußt der 2. Artikel vorangestellt worden, um deutlich zu machen: In Jesus Christus hat sich Gott dem menschlichen Leben zugewandt. Darin sieht der Christ die Grundvoraussetzung für die Gestaltung dieses Lebens. Die Themen der beiden Rahmenkapitel deuten die Richtung an, in der das geschehen könnte: Leben lernen - dieses Buch und unsere Fragen; Anders werden - Gottes Wort und unsere Antwort.
Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
Leben lernen - dieses Buch und unsere Fragen
Was dieses Buch leisten könnte
Erinnern Sie sich noch, wie Sie mit einem Spiegel auf den Stufen der Haustür saßen und die eingefangenen Sonnenstrahlen an die gegenüberliegende Hauswand warfen? Der Lichtstrahl wanderte von einem Fenster zum anderen, zur Haustür, ertaßte vielleicht das Schlüsselloch...
Das Glaubensbuch läßt sich mit den Spiegelexperimenten der Kinder vergleichen, und das in dreifacher Hinsicht:
Der Spiegel kann nur einen kleinen Ausschnitt der Wand beleuchten. So wird das, was an Fragestellungen, Meinungen, Informationen, Problemen in diesem Buch erscheint, jeweils nur einen Teil Ihres Lebens betreffen. Das Buch, das Sie aufgeschlagen haben, ist keine umfassende Glaubenslehre, auch kein Lexikon, in dem man alle Wissensfragen auf dem Gebiet des Glaubens beantwortet findet. Aber in ihm wird die christliche Botschaft für unseren Lebensraum ausgelegt und zu zeigen versucht, wie man heute glauben und damit leben kann. Das Buch gibt Ihnen die Möglichkeit, für sich selbst oder auch mit anderen zusammen einen Einblick in die Grundsachverhalte des christlichen Glaubens zu gewinnen. Sie werden die einzelnen Beiträge natürlich von Ihrem Standort aus beurteilen und mit ihren eigenen Problemen konfrontieren. Dabei werden Sie sich bestätigt oder in Frage gestellt fühlen. Und das könnte sich in Ihrem Leben klärend und ermutigend auswirken.
Manchmal stellten sich Freunde ein, jeder mit seinem Spiegel. Man saß eng beisammen und versuchte, die Lichtflecke so aufeinander zu projizieren, daß daraus ein einziger würde, mit festen Konturen. Aber das war unmöglich. Die Lichtflecke konnten einander nahe kommen, hier und da aufeinandertreffen, aber sie waren unaufhörlich in Bewegung.
Das werden Sie auch in diesem Buch wiederfinden. Aus den unterschiedlichen Auffassungen, die heute in der Kirche vertreten und von den einzelnen Autoren dargestellt werden, ergeben sich keine festen Konturen „des Glaubens" schlechthin. Wohl aber ergibt sich durch die Zusammenschau (die durch die häufigen Seitenverweise erleichtert werden soll) ein lebendiges Bild dessen, was heute in der Gemeinde geglaubt und gelebt wird, was da in Bewegung ist. Gemeinsam ist aber allen, die „mitspiegeln", daß sie das gleiche Licht widerspiegeln.
Aus alten Schulgeschichten oder den Erzählungen Ihrer Eltern kennen Sie vielleicht auch das: Ein Schüler steht vor der Landkarte Südamerikas. Hilflos. Wo lag doch der Titicaca-Seee? In Brasilien oder Kolumbien? Plötzlich taucht ein Lichtfleck in der Gegend von Lima auf, geistert südostwärts . . .
Nicht, daß wir dem „Vorsagespiegel" das Wort reden wollten! Aber kennen wir nicht diese Situation, daß etwas, was wir doch fest zu wissen glaubten, auf einmal „weg", zumindest aber in Frage gestellt ist? Auch und gerade, wenn es um den Glauben geht? Da gibt es manche Ratlosigkeit: Wie
soll man heute die bibel verstehen? was ist mit der Auferstehung Jesu?
Warum bin ich überhaupt Christ? Das Glaubensbuch könnte wie ein Licht
signal anzeigen, in welcher Richtung die Antwort zu finden ist.
Vielleicht - und das hoffen wir sogar - genügt Ihnen dieses Buch nicht. Sie wollen mehr erfahren. Aber es hat Sie auf den Weg gebracht, die Bibel so zu lesen und ähnlich zu verstehen wie dieser oder jener Autor. Oder Sie merken, daß Sie den Mitchristen wie den andersdenkenden Kollegen zur Diskussion und zur Klärung Ihrer Fragen brauchen. Gehen Sie diesen Weg weiter, der Ihnen wichtig geworden ist. Auch andere sind ihn gegangen. Und vielleicht treffen Sie sich einmal: bei einer Rüstzeit, in einem Gemeindeseminar, auf einer Tagung, in einem kleinen Gesprächskreis oder durch bloßen Zufall. In dem Gespräch, das dann beginnt, werden auch Sie erfahren, daß wir neue Erkenntnisse sowohl gewinnen als auch vermitteln können.
Das Glaubensbuch ist eine Einladung, sich mit Glaubensinhalten auseinanderzusetzen und sie im Leben anzuwenden. Sie, der kritische und weiterdenkende Leser, können das Buch zu dem machen, was es sein möchte und was in seinem Titel „Aufschlüsse" zum Ausdruck kommen soll: zu einer Orientierungshilfe für unser Leben, einer Verstehenshilfe für die Christus-Botschaft in unserer Gesellschaft.