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Das erste Buch Mose hat stets eine große Anziehungskraft auf seine Leser ausgeübt, und dies hat seinen Grund wohl hauptsächlich in der Einfachheit seiner Erzählungen. Das menschliche Leben wird hier in seiner Kindheit und in noch ungekünstelter Forn dargestellt; die Szenen sind familiär, die Sitten einfach und die Zustände so, wie sie durch die Familienpflichten und Neigungen gebildet wurden. Und gerade das ist es, was dieses Buch zu seiner so reichen Quelle der Freude für das Herz macht. Wir fühlen uns von den einfachen, ja oft rührenden Bildern mächtig angezogen.
Die Frau eines reichen Mannes, der seine Knechte nach Hunderten, und seine Herden nach Tausenden zählte, knetet Kuchen für den Wanderer, und die Tochter eines anderen, ebenfalls reichen Mannes wird von Fremden beim Tränken der Herden ihres Vaters angetroffen, ohne daß sie sich irgendwie veranlaßt fühlte, ein Wort zu ihrer Entschuldigung zu sagen. Doch fehlte es bei diesem allem durchaus nicht an wahrem Anstande. Die Ehrerbietung, die man allen Menschen und vor allem dem Alter schuldig ist, wurde ebensowohl verstanden, wie die Liebe zu Freunden und Verwandten.
Obgleich einfach und kunstlos, war es doch kein rohes Leben, sondern durch einen Einfluß gekennzeichnet und bestimmt, der das Leben in Wahrheit bilden und zieren kann, und dieser Einfluß w.ar die Kenntnis Gottes. Obwohl jenen ersten Zeiten der Fortschritt und die sogenannten Verfeinerungen und Verbesserungen der Zivilisation völlig unbekannt waren, so waren die Zustände doch nicht roh, und dies, wie schon gesagt, deshalb nicht, weil die Kenntnis von Gott vorhanden war. Die Hand Gottes wurde gefühlt, während die Begriffe des verfeinerten Lebens weder Zeit noch Gelegenheit gehabt hatten, das Bild zu zieren oder zu beschmutzen.
Die Sitten jener frühesten Tage der menschlichen Geschichte mögen daher wohl hie und da etwas eigentümlich erscheinen, aber sie sind äußerst anziehend für einen einfachen Sinn. Es mag vielleicht heutzutage manchem sonderbar vorkommen, wenn er von einer vertrauten Freundschaft zwischen einem Herrn und seinem Knecht liest. Aber obwohl eine solche Freundschaft z. B. zwischen Abraham und Elieser bestand, so wurden dennoch die Rechte und Pflichten des gegenseitigen Verhältnisses gewissenhaft beobachtet. Ferner mag man es heute für geradezu unverantwortlich halten, wenn der zukünftige Mann einer der Töchter des Hauses, oder gar der Schwiegersohn selbst, wie J.akob bei Laban, die Herden der Familie gegen Lohn hüten sollte.
Dennoch lag in diesem allem nichts, was die gute Sitte irgendwie verletzen könnte. Was jedoch diesem Buch noch mehr Anziehungskraft und Interesse für uns gibt, ist dies, daß der Herr Selbst darin gesehen wird, und zwar in einer Weise, wie sie jenen einfachen und ursprünglichen Zuständen angemessen war. So wie die Erzählungen des Buches einfach und schmucklos .sind, so ,ist .auch die Handlungsweise Gottes. Er benutzt keine Propheten, Sondern tut persönlich Seinen Willen kund, und selbst wenn Er Engel gebraucht, so sind diese mehr Seine Begleiter als Seine Boten. Bei der Kühle des Tages wandelt Er im Garten Eden. Auf dem Felde unterhält Er Sich persönlich mit Kain. Er kommt auf das Geschrei von Babel und Sodom herab, um Sich zu überzeugen, ob die Zustände wirklich so schlecht und böse sind, wie Ihm berichtet worden ist. Immer wieder erscheint Er in vollkommener und persönlicher Vertraulichkeit dem Abraham, Isaak und Jakob, indem Er ihr Vertrauen erweckt, Seinem Mißfallen über dies oder jenes Ausdruck gibt und ihnen Seine Pläne und Gedanken offenbart.
Und obgleich im weiteren Verlauf des Buches diese Handlungsweise ein wenig nachläßt, so wird sie doch in gewissem Sinn bis zum Ende hin beibehalten, selbst da, wo wir es am wenigsten erwarten sollten, denn auch Königen, die nicht aus dem Stamme Abrahams waren, erschien Jehova-Gott in den Träumender Nacht und erinnerte sie an ihre Pflichten, oder Er stellte ihnen ihre Gefahren vor. Der Dienst der Propheten fand also zu jener Zeit noch keinen Raum. Er würde zu sehr aus der Feme, zu zurückhaltend gewesen sein. Auch geschah die Mitteilung des göttlichen Willens nicht durch den Heiligen Geist oder durch Eingebung, wie es später gewöhnlich geschah, sondern durch die persönliche Dazwischenkunft Gottes, sei es in einem Gesicht oder in einem Traum, oder auf dem noch näheren Wege der Annahme menschlicher Gestalt und Eigenschaften von seiten Gottes, und zwar stellte Gott Sich nicht in einer sinnbildlichen Kleidung dar, wie später bei Jesaja, Daniel oder Johannes, sondern wie Einer, Der einen Menschen an seinem Wohnort und in seinen Umständen besucht. Wie ein Wanderer, der Gastfreundschaft bedarf, ißt Er mit Abraham Fleisch und Kuchen in der Tür seines Zeltes. Wie ein Mensch mit seinem Genossen eine Streitsache ausficht, so kämpft und ringt Er mit Jakob. Die gleiche Handlungsweise Gottes sehen wir auch bei Noah. Gerade wie es bei uns der Fall sein würde, wird Sein Herz bewegt durch das, was Er sieht, und gerade wie wir es tun würoen, geht Er mit Sich zu Rate, wie Er Sich v.erhalten soll. Er ,sah, "daß des Menschen Bosheit groß war auf Erden, und es schmerzte ihn in sein Herz hinein", und dann spricht er: "Ich will den Menschen, den ich ,geschaffen habe, von der Fläche des Erobod~ vertilgen". Und nachdem Er Seinen Entschluß gefaßt hat, teilt Er ihn dem Ohr, ,dem Herzen und dem Mitgefühl eines anderen mit. So ging der Herr mit Noah um wie ein Mensch mit .seinem Freund.
Er handelte gerade wie wir handeln würden, denn auch wir lieben solche vertraute Freundschaft. "Das Ende alles Fleisches ist vor mich gekommen", sagte Er zu Noah, indem Er ihm erzählte, was in Seinem eigenen Herzen vorgegangen war, ,und später, in den Tagen der Wasserflut, als die Arche anfing, über der Stätte des Gerichts zu schwimmen, schloß der Herr in der gleichen gnädigen und freundschaftlichen Weise eigenhändig hinter ihm zu: Das war innige Vertraulichkeit, das war lebendige, fühlbare Nähe Gottes Seinem Geschöpf gegenüber, und alles das steht in völliger übereinstimmung mit Seinen gewöhnlichen Handlungen und Mitteilungen in diesem Buch. Die Herrlichkeit hatte ihren Platz noch nicht hinter dem Vorhang genommen und sich noch nicht zwischen den Cherubim niedergelassen. In dieser Verbergung offenbarte sich Majestät und Größe, auch die unnahbare Heiligkeit Gottes, wie dies einer geordneten Haushaltung angemessen war, aber in den Zeiten, mit denen wir jetzt beschäftigt sind, waren die Dinge noch ungeregelt und ohne eine bestimmte Ordnung, und dementsprechend war der Herr in Person da, wann und wo die Gelegenheit es erforderte. Auf solche Art also offenbart Sich Gott in diesem herrlichen Buch, das ebenso göttlich ist, wie jeder andere Teil des Wortes, und wir haben viel Ursache, den Herrn zu preisen, daß Er unseren Herzen ein solches Buch geschenkt hat. Wir sind nicht immer für die höheren Dinge empfänglich. Wir können sie nicht zu jeder Zeit erreichen, oder der Aufforderung, in die himmlischen Örter hinaufzusteigen, Folge leisten.
Aber der Heilige Geist ist unserer Schwachheit zu Hilfe gekommen und hat für sie Vorsorge getroffen. Die Schrift bietet unseren Seelen reiche Abwechslung dar. Was wir nötig haben, ist nur Geschmack und Eßlust, sowie eine heilige Freude an den Dingen Gottes, seien .es nun die Dinge der "Kinder" oder der " Väter", sei es Milch oder feste Speise. Ich möchte indessen noch auf eine andere Sache in diesem Buch aufmerksam machen. In jenen Zeiten, oder, wie der Apostel sagt: "von Adam bis auf Moses", gab nicht das Gesetz dem Zustande des Volkes Gottes ein bestimmtes Gepräge. Adam stand in Eden unter einem Gebot, und die Kinder Israel besaßen das Gesetz, nachdem sie am Berge Sinai gewesen waren. Anders verhielt es sich mit den Geschlechtern von Adam bis auf Moses. Die Sünde war in der Welt, aber kein Gesetz (Röm 5, 13. 14).
Es fehlte sogar beinahe jede sittliche Vorschrift und Unterweisung. Wohl gab es manche Offenbarungen des Willens und der Pläne Gottes, und unter der Leitung des Geistes wirkten diese Offenbarungen auf den Charakter und das Betragen der Gläubigen und regelten ihren Willen und ihre Wege - das Böse wurde von ihnen gefühlt und durch Gott verurteilt, aber es war keine geschriebene Richtschnur über Recht und Unrecht vorhanden. Ohne daß ein Gesetz gegen den Mörder gegeben gewesen wäre, wird Kain vertrieben. Ohne ein fünftes Gebot wirdHam gestraft wegen der Schmach, die er seinem Vater angetan hatte. Ebenso wird Jakobs Betrug, und die schlechte Handlungsweise der Brüder Josephs von dem Herrn heimgesucht und geahndet. Und ohne das Ucht irgendwelcher Vorschrift kann die Seele eines Heiligen der Versuchung mit den Worten begegnen: "Wie ,sollte ich dieses große. übel tun und wider Gott sündigen?"
Alles das fand statt, obgleich, wie gesagt, weder ein Gesetz noch eine sittliche Unterweisung gegeben war. Die Art und Weise, in der Gott Sich dem Glauben offenbarte, bildete unter der Leitung des Geistes den Charakter der Patriarchen. Abraham besaß keine Anweisung betreffs seines Altars und seines Zeltes, aber seine Berufung von seiten Gottes durch den Geist leitete ihn im Blick auf beides. Keine Vorschrift forderte seine hohe und edelmütige Behandlung Lots, aber sein Glaube und seine Hoffnung auf Gott gaben sie ihm ein und verlangten sie. Ohne eine Richtschnur für den betreffenden Fall leitete ihn seine Kenntnis Gottes und die Gesinnung Christi, die in ihm war, sich von dem Streit der Könige fernzuhalten, aber dann, sobald sein Verwandter ein Gefangener war, zu seiner Befreiung aufzubrechen.
Kein Wort, kein Ausspruch Gottes unterschied für ihn zwischen dem König von Salem und dem König von Sodom, aber das Urteil, das er besaß, leitete ihn in seinem Verhalten. Wir könnten noch manche andere Begebenheit, die uns das 1. Buch Mose erzählt, durchgehen und würden überall gleiche Dinge finden. Das heilige Urteil der Gesinnung, die in jenen Männern war, gab ihnen unter der Leitung des Geistes ihr Verhalten ein, und zwar mittels der Offenbarung, Verheißung und Berufung Gottes. Dies ist stets schön, so oft wir wahre Beispiele oder Beweise davon finden.
Das also sind die besonderen Kennzeichen dieser frühesten Tage, des Kindesalters unserer Geschichte und des kostbaren Buches, in dem sie für uns aufgezeichnet stehen. Und diese früheste Methode in den Wegen des Herrn wird auch die letzte und bleibende sein. So wie Gott in jener Zeit, wie wir gesehen haben, :in menschlicher Gestalt wirksam war, indem Er persönlich auf den Schauplatz trat und die innigsten Beziehungen zu Seinen Geschöpfen suchte, so wird es auch später sein, wenn die Zeitalter ihren Lauf vollendet haben: Gott, geoffenbart im Fleische, wird für immer gegenwärtig sein. Und so wie in jenen Tagen die Gegenwart Gottes nicht als etwas Fremdes betrachtet würde, oder als etwas, das nicht zu ,der Erde paßte oder nicht zu den Menschen gehörte, - die göttliche Gnade wurde sozusagen freigegeben und arglos empfangen -, so wird auch am Ende in den Tagen der tausendjährigen Herrlichkeit Jehova Gott wieder persönlich auf dem Schauplatz erscheinen.
Der Himmel wird geöffnet sein, und die Engel Gottes werden aufund niedersteigen auf den Sohn des Menschen. Gehen wir jetzt zu einer etwas näheren Betrachtung der fünf ersten Kapitel des :1. Buches Mose über, die uns eine Schilderung geben von den Zeiten oder der Welt vor der Flut. Das Ganze beginnt selbstverständlich mit dem Werk der Schöpfung. Ich gehe hier nicht näher darauf ein, aber durch den Apostel belehrt, können wir sagen, ,daß nur der Glaube dieses große Werk von ,dem richtigen Gesichtspunkt aus betrachtet.
Der Glaube stellt Gott über alles, was geschaffen ist oder gesehen wird. "Durch Glauben verstehen wir, daß die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so daß das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist" (Hebr u, 3). Der Glaube ist der einzige Grundsatz in der Seele, der auf eine Gottes würdige Weise handelt. Gott 'bewohnt "ein unzugängliches Licht". Der Glaube erkennt dies an. Die Weisheit der Menschen aber möchte in dieses unzugängliche Licht eindringen, um Gott zu sehen und zu prüfen. Gott hat große Dinge von Sich gezeigt, aber der Glaube weiß, daß "keiner der Menschen ihn gesehen hat noch sehen kann" (:1. Tim 6, :16). Er freut sich über alle Seine Offenbarungen, aber er maßt sich niemals an, Seinen Wohnplatz im Licht prüfen zu wollen. Das zweite Kapitel. steIlt uns den Menschen, der im Bilde Gottes geschaffen ist, dn seinem Zustande im Garten Eden vor Augen. Alles war ihm dort unterworfen, alles war für ihn da.
Er besaß Nahrung für alle Bedürfnisse und Wünsche seiner Nabur, und :alles, was er nur begehren konnte, war in Fülle vorhanden. Indes war der Mensch nicht allein zum Empfangen, sondern auch zum Mitteilen geschaffen, und das ist immer ein notwendiger Zug in dem Glück einer Seele, die sich in einem guten Zustande befindet. Adam war ebenso w.ichtig für den Garten, wie der Garten für ihn. Er hatte ihn "zu bebauen und zu bewahren". Er sah in seinem Wohnplatz die Quelle eines fruchtbaren Stromes, der Leben und Erfrischung über die ganze Erde verbreitete.
Zugleich hörte er ,die Stimme des Herrn, aus dessen Mund das Gebot kam: "Von dem Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon ,sollst du nicht essen". Aber dies War kein Eingriff in die Rechte Adams, kein Mißklang für sein Ohr. Gott will und kann Seine Ehre keinem anderen geben, und ein richtig denkendes Geschöpf muß sich darüber freuen, daß es so ist. Alles stand in Eden in vollkommener, schöner Harmonie, und das Teil des Menschen war eine beständige Glückseligkeit. Um jedoch seine Lage noch zu vervollkommnen, bereitete Gott für ihn einen Tag der Krönung und einen Tag der Vermählung. In allen diesen Dingen können wir eine bestimmte Ordnung erkennen. Zuerst geht der Herr mit Sich Selbst zu Rate betreffs der Vermählung Adams. Dann führt Er ihn .auf den Schauplatz seiner Herrschaft.
Er bringt "alles Getier des Feldes und alles Gevögel .des Himmels zu dem Menschen, um zu sehen, wie er sie nennen würde i und wurde irgend der Mensch ein lebendiges Wesen nennen würde, so sollte sein Name sein". So bekleidet ihn Gott mit Herrschaft, indem Er ihn zum Herrn der Erde und ihrer Geschöpfe macht. Zuletzt bereitet Er eine Hilfe für ilin und stellt ihm Eva vor. Das ist die Reihenfolge dieser Ereignisse, eine Reihenfolge, die einen heiligen und wichtigen Sinn in .sich schließt. Es ist nicht die einfache Aufeinanderfolge von unter sich unabhängigen, in keiner Verbindung stehenden Tatsachen. Es ist sozusagen der Entwurf eines großen Meisters. Denn es gibt, wie wir wissen, ein Geheimnis, das "verborgen war in Gott", einen "Vorsatz, den er gefaßt hat" vor Grundlegung der Welt, Sein Geheimnis (Eph 3). Und hiervon ist diese Vermählung im Garten Eden das Vorbild (Eph 5)...
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