Ein Mensch In Gottes gewaltigen Händen
Es geschah das Wort des Herrn zu Jona, dem Sohn Amitthais, und sprach: Mache dich auf und gehe in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist heraufgekommen vor mich. Aber Jona machte sich auf und floh vor dem Herrn und wollte gen Tharsis und kam hinab gen Japho.
Jona 1, 1-3a
Beim Bibellesen wird uns gewiß schon einmal aufgefallen sein, daß sich uns die Bibel nicht nur als ein schwerverständliches Lehrbuch mit komplizierten Glaubenssätzen präsentiert, sondern daß uns Gott in ihr auch in leichtverständlicher Weise begegnet. Bestimmte Heilswahrheiten werden uns in ihr sogar anhand von Lebensgeschichten oder alltäglichen Begebenheiten illustriert. Darum wurde sie schon mal mit Recht als Bilderbuch Gottes bezeichnet.
Denken wir in dieser Richtung nur an die vier Evangelien.
In ihnen wird uns z. B. die Lebensgeschichte Jesu illustriert, und anhand dieser Berichte lernen wir Jesus kennen, auch gleichzeitig, wie wir ihm nachfolgen sollen. Oder denken wir an die Apostelgeschichte. In ihr wird uns anhand von Missionsberichten gezeigt, wie der Herr sich seine Gemeinde sucht, sie sammelt und wie er mit ihr Geschichte macht. Oder blicken wir auf die Offenbarung. Anhand von Bildern und Gestalten zeigt uns der Herr in ihr, wie er selbst alles in mächtigen Händen behält und er trotz allen Widerwärtigkeiten die Welt- und Kirchengeschichte vollendet.
Solche Handhabe finden wir nun nicht nur im N. T. Nein, gerade das A. T. könnte den Anspruch auf das Bilderbuch Gottes erheben. Die Schrift Jona ist z. B. eine solch ausgesprochene Illustrierte Gottes. In ihr finden wir keinen prophetischen Ausspruch. Noch nicht einmal einen scharf formulierten Glaubenssatz. Nein, nichts von all dem. Aber in ihr finden wir die Lebensgeschichte eines Menschen auf göttlichem Hintergrund. Ja, in ihr wird uns gezeigt, wie es einem Menschen in Gottes Händen ergehen kann, der mit dem Willen Gottes konfrontiert wurde, ihn wohl erkannte, aber dann zum Willen Gottes nein sagte. Weil diese Jona-Geschichte vielleicht sogar unsere eigene Geschichte ist oder sie es werden kann, wollen wir zunächst einen Menschen in Gottes Händen als Gerufenen betrachten.
Zur Person
Bleiben wir zunächst einmal bei der Person des hier genannten Menschen stehen. Sie wird uns unter dem Namen Jona bezeugt. Frage: Was war denn dieser Jona für ein Mensch? War er wirklich ein Mensch? Oder soll diese Schrift nur so, wie man es in jüngster Zeit von verschiedenen Warten aus vernehmen konnte, eine gewisse Novelle, also eine alte Dichtung, eine Prosaerzählung sein?
Daß Jona wirklich existiert hat, wird uns in 2. Könige 14, 25 bezeugt. Dort heißt es von ihm: „ ... nach dem Wort des Herrn, des Gottes Israels, das er geredet hatte durch seinen Knecht Jona, den Sohn Amitthais, den Propheten, der von Gath-Hepher war." An dieser Schriftstelle wird er uns als eine echt geschichtliche Person bezeugt, dessen Vater (Sohn Amitthais) wie auch Wohnort (Gath-Hepher) man kannte und somit auch wußte, zu welchem Stamm er gehörte. „Gath-Heper" gehörte nämlich zum Stamm Sebulon.
Hinzu kommt auch noch, daß der Herr Jesus sich ganz unbefangen zu dem Menschen Jona bekannte. In Matthäus 12, 40 sagt er von ihm: „Denn gleich wie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Meerfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein!" Von dem Herrn wissen wir, daß „kein Betrug in seinem Munde" gewesen ist und daß mit diesem Bekenntnis zu Jona alles in Frage-stellen-Wollen der göttliche Riegel grundsätzlich vorgeschoben ist.
Doch nun nochmals die Frage: Was war Jona denn für ein Mensch, und zwar betreffs seines inneren Standes? War Jona ein Heide oder ein Israelit?
Die obige Schriftstelle, 2. Könige 14, 25, liefert uns den Nachweis, daß Jona kein Heide war. Jona war ein Israelit. Also einer, der um den lebendigen Gott wußte, an ihn glaubte, dem Volk und dem Bekenntnis nach zu Gott gehörte, der ein religiöses Leben führte und sich selbst als fromm verstand. Um uns gleich recht zu verstehen: Ein religöser Mensch, wie wir beide es sind. Und dieser religiöse Mensch mußte es eines Tages erleben, wie der lebendige Gott auf sein religiöses Sein und Haben reflektierte, ihn in seiner Religiosität ernst nahm und bei ihm seinen Anspruch geltend machte: „Es geschah das Wort des Herrn zu