Der Gott des Friedens

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Der Gott des Friedens, BdH 1877

„Der Gott des Friedens aber, der aus den Toten wiederbrachte unseren Herrn Jesum, den großen Hirten der Schafe, in dem Blute des ewigen Bundes...„ (Hebr 13, 20).
Der Titel, unter dem der Heilige Geist Gott hier einführt, ist besonders ausdrucksvoll. Er nennt Ihn „den Gott des Friedens. Das ist Er für uns, und zwar in Verbindung mit dem geöffneten Grabe des „großen Hirten" und auf Grund „des Blutes des ewigen Bundes". Wir haben hier den Gott des Friedens und den Herrn Jesum, das Blut des ewigen Bundes und die Auferstehung aus den Toten
Es gibt jedoch noch einen anderen Titel, unter dem Gott erkannt werden muß, bevor die Seele sich in Ihm, als „dem Gott des Frieden? erfreuen kann, und zwar als „der Gott des Gerichts". Vom Frieden zu reden, bevor den Anforderungen Gottes bezüglich Seines Charakters als Gott des Gerichtes entsprochen ist, ist große Torheit. Gott kann in keiner Weise Frieden mit der Sünde haben. So lange sie nicht hinweggetan ist, kann kein Frieden mit Gott sein. Da mag der Frieden der Unwissenheit, der Frieden einer fleischlichen Sicherheit, eines verhärteten Herzens oder eines völlig abgestumpften Gewissens sein; aber da ist kein Frieden mit Gott, so lange die Sünde ungerichtet bleibt.

Aus welchem Grunde aber kann der Apostel von „dem Gott des Friedens" reden? Der Grund ist dieser: „der Gott des Gerichts" begegnete dem Sündenträger auf dem Kreuze und brachte dort die ganze Frage der Sünde für immer in Ordnung. Der göttliche Stellvertreter machte Frieden durch das Blut Seines Kreuzes, damit „der Gott des Friedens" uns ohne Gericht begegnen könnte an dem geöffneten Grabe. Alles, was der Gott des Gerichts gegen meine Sünden hatte, legte Er auf das Haupt meines Stellvertreters auf dem Kreuz, damit ich Ihn als den Gott des Friedens kennen und genießen möchte. Dies ist die fundamentale Wahrheit, die, wenn sie einfach geglaubt wird, dem Gewissen einen bestimmten Frieden geben muß. Durch das Blut des Kreuzes ist Gott nicht nur vollkommen befriedigt, sondern auch für immer verherrlicht worden. Dies muß jedem Frieden geben, der einfach glaubt.

Ach, wie schwach sind unsere Gedanken bezüglich, des Evangeliums trotz seiner moralischen Größe, worin es in derHeiligen Schrift vor uns erscheint! Es wird oft in einer Weise vorgestellt, daß man meinen sollte, die Vergebung der Sünden sei die Frucht der Ausübung der Gnade auf Kosten der Gerechtigkeit, oder die Gerechtigkeit willige ein, beiseitegesetzt zu werden, damit die Gnade vergebe und errette. Wie verschieden ist dies von den bewunderungswürdigen Gedanken der Erlösung, die aus dem Herzen Gottes hervorgegangen sind! Sie haben ihren Ursprung in den Ratschlüssen Gottes vor Grundlegung der Welt, sie sind vollzogen durch „das Blut des ewigen Bundes", sind durch den Heiligen Geist in den Schriften der Wahrheit geoffenbart und werden durch den Glauben aufgenommen in den Herzen derer, die durch die Gnade versiegeln, daß, „Gott wahrhaftig ist". Da sind Gnade und Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden völlig vereinigt, so daß der Sünder ebenso be' stimmt durch Gerechtigkeit und Wahrheit, als durch Gnade und Frieden errettet ist. Gerechtigkeit und Wahrheit sind eben sosehr für ihn als Gnade und Frieden. Gerechtigkeit und Gericht sind die Pfeiler des mit Blut besprengten Throns der Gnade, dem der errettete Sünder in Anbetung naht.

Woher aber kann ich wissen, fragst du vielleicht, daß der Gott des Gerichts Christo auf dem Kreuze begegnet ist und die große Frage der Sünde für immer in Ordnung gebracht hat?
Muß ich es nicht in mir fühlen, oder muß nicht irgend etwas in mir vorgehen, oder habe ich nicht etwas zu tun, bevor ich es wissen kann? Nichts von dem allen: „der Gott des, Friedens hat den großen Hirten aus den Toten wiedergebracht". Hierdurch weiß ich, daß die Frage der Sünde für immer in Ordnung gebracht ist. Wäre sie nicht in Ordnung gebracht, so würden wir nie etwas von „dem Gott des Friedens" vernommen haben, nie etwas von dem geöffneten Grabe „des großen Hirten" gehört und nie etwas von der unwandelbaren Wirksamkeit „des Blutes des ewigen Bundes" gewußt haben. „Der Gott des Friedens" würde nie auf dem Schauplatz erschienen sein, wenn nicht alle Forderungen „des Gottes des Gerichts" völlig befriedigt wären, befriedigt durch das Blut des ewigen Bundes. Nichts anderes konnte nützen. Alle guten Werke, die je von Menschen unter dem Himmel geschehen sind, alle Ehrbarkeit, alle fleischliche Frömmigkeit, alle gesetzliche Gerechtigkeit, alle gespendeten Wohltaten, ja dies alles und zehntausendmal mehr würde niemals die Forderungen des Gottes des Gerichts. in bezug auf meine Sünden befriedigt haben. Aber der Tod Christi hat sie völlig für mich befriedigt. Das Opfer Seiner Selbst steht vor dem Auge einer unendlichen Heiligkeit in all seinen einzelnen Vollkommenheiten, in all seiner göttlichen Vollgültig keit. Es braucht nichts hinzugefügt zu werden; es lentspricht jedem Bedürfnis. Was brauche ich noch mehr als Grund meines Friedens? Nichts mehr; Gott ist völlig befriedigt und ebenso ich; die Sache ist für immer in Ordnung gebracht, sie kann durch niemand und nichts je erschüttert werden.

Bist du befriedigt, geliebter Leser? Ist Christus genug für dich? Hat Er genug getan, um den Anforderungen deines Gewissens zu begegnen? Hast du nötig, zu Seiner vollgültigen Versöhnung noch etwas hinzuzufügen? Wenn nicht, worauf wartest du denn? Du sagst vielleicht: Ich fühle es nicht. Freilich, wir werden nicht durchs Gefühl, sondern durch Glauben errettet. „Der Gerechte wird durch Glauben leben", nicht durchs Gefühl. Erkennst du nicht, daß du, indem du sagst: ich fühle es nicht, auf einem gesetzlichen Grunde, auf dem Grunde der Werke bist? Du magst das äußerliche Wirken zwar aufgegeben haben, aber du blickst auf das innerliche. Aber das eine ist so wertlos wie das andere. Gib beides als einen Grund der Errettung völlig auf und nimm Christum an. Dies ist es, was du brauchst, um wirklich glücklich zu sein. Wenn du jemand sagen hörtest: Ich bin jetzt glücklich, ich habe Frieden mit Gott, weil ich tausend Taler an die Armen gegeben habe, würdest du das nicht, für Selbstbetrug halten? Ohne Zweifel; und doch sagst du: Wenn ich es fühlen könnte, wurde ich glücklich sein. Worin liegt der Unterschied zwischen „tun" und „fühlen?" Ist nicht, als Grundlage für den Frieden eines Sünders, das eine ebenso unsicher wie das andere? Würde es nicht besser sein, anstelle von beiden Christum zu setzen? Ist in Ihm nicht genug ohne unsere Gefühle und ohne unsere Werke? Wenn deine Gefühle oder deine Werke notwendig gewesen wären, warum hat idenn der Gott des Friedens unseren Herrn Jesum aus den Toten wiedergebracht?" Ist es nicht augenscheinlich, daß du etwas anderes als Grund des Friedens suchst, als das, was dir im Evangelium dargestellt wird? Ich wünsche von Herzen, daß zdu jetzt und für immer in Christo ruhen mögest, daß Er für dich genug sei, wie Er für Gott genug ist. Deine Gefühle und Werke der rechten Art werden gewiß hervorkommen; doch nicht als ein Grund des Friedens, sondern als die vor Gott angenehmen Früchte einer erlangten Errettung, als der Ausfluß eines Lebens, das durch den Glauben Christum besitzt.

Nehemia oder das Bauen der Mauer
In Nehemia 1 begegnen wir einem vor Gott stehenden Mann. Er hat den Zustand der entronnenen Juden, die von der Ge' fangenschaft übriggeblieben waren, kennengelernt und hat erfahren, daß die Mauer Jerusalems zerrissen und verwüstet war. Mit rührendem Ernst tritt dieser Mann Gottes vor Jehova für das gefallene Volk, das doch einmal durch Seine große Kraft und Seine starke Hand erlöst worden war. „Ach Herr"! ruft er, „laß doch dein Ohr aufmerksam sein auf das Gebet deines Knechtes und auf das Gebet deiner Knechte, die Gefallen daran finden, deinen Namen zu fürchten" (Kap. 1, 11)
Auf diese Weise sehen wir ihn vor dem Herrn, und zwar in dem Gefühl des tiefsten Schmerzes über den Zustand Israels und der Stadt des großen Königs. Er erkennt völlig die er schreckliche Sünde ihres Abfalls von dem Herrn; denn er sagt „Wir haben sehr verderbt gegen dich gehandelt und haben nicht beobachtet die Gebote und die Satzungen und die Rechte, welche du deinem Knechte Mose geboten hast" (V. 7).
Da nun diese Dinge uns als Vorbilder aufgezeichnet sind, so ist die Frage an ihrem Platz: „Sind auch wir in solcher Weise mit tief gefühltem Bekenntnis, bezüglich des gegenwärtigen Zustandes der Versarniniking Gottes, vordem Angesicht des Herrn gewesen? Haben auch wir so geweint und getrauert und gefleht für das Volk des Herrn in unseren Tagen? Laßt uns nicht nur disputieren, sondern werfen wir uns vielmehr vor dem Herrn nieder und vergleichen wir den gegenwärtigen Zustand der Versammlung in der Welt mit ihrem Zustand im Anfang. Ist nicht auch ihre Mauer niedergerissen worden? Als Gott durch den Heiligen Geist die Versammlung baute, da bestand eine Scheidewand zwischen ihr und der Welt. Zu jener Zeit waren alle Gläubigen zusammen und bildeten einen Leib, so wie di'e Häuser der alten Stadt mit ihrer starken und hohen Mauer das eine Jerusalem ausmachten. So lesen wir auch von dieser einen Versammlung Gottes: „Von den übrigen aber wagte keiner, sich ihnen anzuschließen" (Apg 5, 13). Haben wir uns schon zu diesem Zweck vor dem Herrn niedergeworfen? Nun, dann. mögen wir unsere Blicke zurückwerfen in die finsteren Peri oden, in welchen diese von der Welt trennende Scheidewand niedergerissen worden ist.
Sowie Gott durch diese tiefen Übungen der Seele vor Seinem Angesicht Seinen Knecht Nehemia für Sein Werk zubereitete, so hat es Ihm wohlgefallen, auch in unseren Tagen etliche Knechte zu berufen und für Seine Arbeit zuzubereiten. Doch auch bei ihnen muß diese Seelenübung vorausgehen.
Diese tiefe Demütigung vor Gott im ersten Kapitel bewirkt im zweiten Kapitel göttliche Gefühle und Tätigkeiten der Liebe für das Wohl des Volkes Gottes...
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