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Autobiographie - Familiengeschichte - Erweckungsgeschichte ist das alles und noch mehr ist dieses auf gut hundert Jahre zurückblickende Erinnerungsbuch des als "Rektor Schmitt" bekannten Weidenauer Allianzmannes. Hier zeichnet er seine Vergangenheit nach, Bilder mit vielen z. T. humorvollen Details aus Jahren, die mancher nur als Geschichtsdaten kennt. Bild reiht sich an Bild: aus der Biedenkopfer Heimat, der Seminarzeit in Dillenburg, dem Siegerland, unter wechselnden politischen und ideologischen Systemen, die der geradlinige Mann als Christ durchsteht. Es sind kurze Kapitel, denen nie der Atem ausgeht.
In Jesu Dienst gestellt - dieses Thema steht über dem Leben Jakob Schmitts.
"Wo Lieblinge sind, hört die Liebe auf"
Unser Großvater Schmitt, der inzwischen das Altenteil bezogen hatte, war ein ausgesprochen nüchterner Mensch, und uns Kindern fiel es schwer, in ein rechtes Verhältnis zu ihm zu kommen. Wir wußten ja nicht, daß ihm der Umgang mit Kindern so wenig lag. Aber eines fiel uns auf: Er hatte unter den Enkeln Lieblinge, die er gelegentlich vorzog und mit kleinen Geschenken bedachte. So brachte er, wenn er in der Kreisstadt Biedenkopf gewesen war, meinem älteren Bruder Johannes, seinem Patenkind, immer etwas mit, und wir zwei Kleinsten standen dabei und gingen leer aus. Das verstanden wir nicht. Er war doch auch unser Großvater! Aber die Mutter glättete die Wogen, indem sie in geschickter Weise den Großvater entschuldigte und gleichzeitig aus ihrer Tasche Ersatz bot. So kamen keine bitteren Gefühle auf. Mutter hatte das Wort Pestalozzis: "Wo Lieblinge sind, da hört die Liebe auf" vielleicht nie gehört, aber sie sah die Gefahr und wehrte sie ab.
Eine unvergessene Beerdigung
Ende 1895 starb Großvater Schmitt. Da er zur Methodistengemeinde gehörte, wurde er von Dr. Bucher, dem Direktor des Predigerseminars der Methodistenkirche in Frankfurt/Main, beerdigt. Der Friedhof war voller Menschen. In seinem "Kaisermantel" (Avelock) sehe ich Dr. Bucher noch am Grabe stehen. Von dem, was er sagte, weiß ich nichts mehr. Die vielen Menschen und das Geschehen auf dem Friedhof fesselten mich zu sehr, denn es war ja die erste Beerdigung, die ich bewußt erlebte. Ich war damals acht Jahre alt. Die vielstimmigen Evangeliums und Heimatlieder Ernst Gebhardts, des Sängers der Methodistenkirche, die über das ganze Tal hinweg hallten, sang ich fröhlich mit. Zions Pilger singen Zions Lieder, und ich singe und spiele sie heute noch gern.
Dr. Bucher war wie sein Schwiegervater Ernst Gebhardt auch ein Sänger der Gnade Gottes und hatte „Liebe zu allen Heiligen". Den Chören des christlichen Sängerbundes diente er mit Wort und Lied. Wenn er Harmonium spielte, dann kannten wir das Instrument nicht wieder. Wie ergänzte sein geistliches Wort die Lieder der Gesamtchöre auf den großen Sängerfesten im Kreise Biedenkopf und im nordwestlichen Dilikreis! Anfang der dreißiger Jahre traf ich ihn noch einmal bei einer Konferenz der Westdeutschen Allianz in der Hammerhütte in Siegen, wo er neben anderen Brüdern das Wort verkündigte. Er war immer derselbe Mann brüderlicher Liebe, geistlicher Tiefe und geheiligter Freude. Eine Großmutter, die viel gebetet und gelitten hat.
Ich sah es immer als eine weise und freundliche Führung Gottes an, daß dem so nüchternen und reisefreudigen Großvater diese warmherzige, betende Frau zur Seite stand. Charakterlich und auch im Blick auf ihr geistliches Leben war sie eine wesenhafte Ergänzung zu Großvater, für die ich mehr als einmal gedankt habe. Sie kam aus einer frommen, begabten Bauernfamilie. Mein Vater, das einzige Kind dieser Ehe, war von der mütterlichen Seite her stark geprägt. Das war eine gute Gabe für seine späteren Aufgaben in der Gemeinde Gottes in meiner Heimat und darüber hinaus.
Wie gut, daß der große Gott uns schon sah, als wir noch nicht waren, „und alle unsere Wege liegen offen vor ihm"! Die Großmutter hatte ein Herz für die Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens waren, und eine Hand, die gerne austeilte. Wo ihr Mann manchmal hart war, glich sie aus und machte vieles wieder gut. Von ihr ging kein Armer - und damals gab es noch viele Arme - unbeschenkt und ungetröstet wieder weg. Sie ließ die linke Hand nicht wissen, was die rechte tat.
Die ungelösten Fragen, das Leid, das manchmal diese empfindsame Frau einspinnen wollte, breitete sie vor dem Herrn aus. Mit Hanna, der Mutter Samuels, hätte sie auch manchmal sagen können: „Ich bin ein betrübtes Weib und habe mein Herz vor dem Herrn ausgeschüttet." Ihre Tränen haben sie aber nicht bitter gemacht, sondern näher zum Herrn gebracht. Nun war es ein Geschenk Gottes, daß die Großmutter in meiner Mutter eine so verständnis- und liebevolle Hilfe hatte. Mit ihr konnte sie alles besprechen, auch die Lasten, die auf ihrem Herzen lagen. Und sie, die nur ein Kind gehabt hatte, freute sich bald an der wachsenden Enkelschar, am fröhlichen Treiben und Singen im Hause.
1889 ging sie in großem Frieden heim zu ihrem Heiland und Herrn, der ihre Gebete gehört, ihre Tränen gesehen hat und der einmal „jede Träne abwischen wird".
Wie unser Großvater diese Frau gefunden hat, kann ich nicht bestimmt sagen. Mein Vater schreibt in einem Bericht über die christlichen Versammlungen des Kreises Biedenkopf in der Mitte des vorigen Jahrhunderts: „Meine teure, selige Mutter erzählte mir als Kind oft, daß sich in ihrer Heimat Rüchenbach b. Gladenbach Leute neben der Kirche um Gottes Wort versammelt hätten, weil bei ihnen das Verlangen, selig zu werden, groß gewesen sei. Einige Brüder hätten dort in den kleinen Versammlungen mit dem Worte Gottes gedient, so daß sie selige Stunden in der Nähe des Herrn verlebt hätten. . . Durch Gottes wunderbare Führung kam meine liebe Mutter im Jahre 1847 nach Mornshausen an der Dautphe. So hat der Herr auch hier in der Gegend sein wunderbares Geistes- und Gnadenwerk in manchen Herzen angefangen."
Wahrscheinlich haben sich die beiden jungen Christen in den vierziger Jahren in der kleinen Versammlung von Friedensdorf gefunden, das nur eine halbe Stunde von Mornshausen, wo die Schmitts ihren Hof hatten, entfernt liegt. Es ist bekannt, daß sich die Geschwister der kleinen Versammlungen von Rüchenbach und Friedensdorf gegenseitig besuchten
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